Am Helllichten Tag
steht.
Sie kennt Sjoerd so gut, als wäre er ihr Lebensgefährte, und die Zusammenarbeit hat von Anfang an sehr gut funktioniert.
Julia kann sich nicht vorstellen, mit jemand anderem zu arbeiten, und schon gar nicht mit einem wie Ari. Ein Albtraum! Sie würde umgehend ihre Versetzung beantragen.
Noch leicht verärgert über die Provokation, macht sie sich an die Arbeit und ist schon bald völlig darin vertieft. Sjoerd sitzt inzwischen ebenfalls an seinem Schreibtisch. Nachdem sie eine halbe Stunde still vor sich hingearbeitet und ihre Ermittlungen dokumentiert haben, kommt Hauptwachtmeisterin Rietta herein und legt Julia eine Mappe hin: Sie enthält die Auswertung der Anwohnerbefragung.
»Danke, Rietta«, sagt Julia, ohne die Finger von der Tastatur zu nehmen.
»Gern geschehen. Sind das hier die Fotos vom Tatort?« Rietta zeigt auf eine Klarsichthülle. »Habt ihr schon Hinweise?«
»Bisher nicht. Wir warten auf die Ergebnisse von der Kriminaltechnik.«
»Und wie schätzt du den Fall ein?«
Aus dem Augenwinkel sieht Julia, dass Ari und Koenraad Blicke tauschen. Sie kehrt ihnen den Rücken zu.
»Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Abrechnung«, sagt sie.
»Ja«, pflichtet ihr Rietta bei. »Den Nachbarn zufolge hatte Ruud Schavenmaker ziemliche Probleme mit den Ausländern im Viertel.«
»Aber wenn das der Grund war, verstehe ich nicht, warum seine Freundin ebenfalls umgebracht wurde. Vermutlich geht es hier um mehr als nur um Diskriminierung«, sagt Julia. »Du weißt ja, dass Donderberg nicht gerade ein Musterviertel ist.«
Roermond-Donderberg ist ein Multikultiviertel, in dem es immer wieder zu Konflikten zwischen ausländischen und einheimischen Bürgern kommt. Außerdem sind etliche Bewohner in kriminelle Machenschaften verstrickt. Im Grunde reichen die drei Problemviertel der Stadt – Donderberg, ’t Veld und De Kemp – bereits aus, um sämtliche Streifenkollegen rund um die Uhr auf Trab zu halten. Kneipenschlägereien, Messerstechereien und dergleichen sind dort an der Tagesordnung, und die Zeugen schweigen meist aus Angst vor Racheakten.
»Die Kollegin Vriens hat den Fall schon gelöst.« Ari dreht seinen Bürostuhl so, dass er Julia im Visier hat. »Jedenfalls theo retisch. Und ganz ohne Beweise.«
»Ich recherchiere, Walraven«, sagt Julia. »Nach Beweisen muss man erst einmal suchen.«
»Mit deinem Tunnelblick wirst du bestimmt schnell welche finden«, sagt Ari.
Julia dreht ihm seufzend den Rücken zu.
»Lass dich nicht ärgern!«, sagt Rietta. »Ari ist ein großes Kind. Ich gehe jetzt Kaffee holen. Möchtest du auch einen?«
»Ja, gern. Danke.«
»Nett von dir, Rietta!«, ruft Ari dazwischen. »Du weißt ja, wie ich ihn trinke.«
»Allerdings«, sagt Rietta im Hinausgehen. »Schwarz – genau wie deine Seele.«
Zwanzig Kripoleute von verschiedenen Revieren in Midden-Limburg werden als Sonderkommission auf den Fall angesetzt.
Julia und Sjoerd haben sich Fotos und Videoaufnahmen vom Tatort angesehen und die Akten straffällig gewordener Bewohner des Viertels unter die Lupe genommen.
Inzwischen ist bekannt, dass das ermordete Paar in dem überwiegend von Ausländern bewohnten Stadtteil nicht besonders beliebt war. Als einer der letzten Einheimischen hatte Ruud Schavenmaker vehement den »Verfall des Viertels« beklagt und damit weniger den renovierungsbedürftigen Zustand vieler Reihenhäuser und Wohnblocks, sondern deren Bewohner gemeint.
»Ruud hat sich immer wieder mit den Marokkanern angelegt«, hatte eine ältere Frau, die ein paar Häuser weiter wohnt, berichtet. »Dabei machen die gar nichts, sondern stehen nur rum, rauchen und reden miteinander. Aber Ruud hat sich trotzdem daran gestört. Vor allem mit einem von ihnen, einem gewissen Rachid, lag er im Clinch. Den hat er immer wieder einen stinkenden Kameltreiber genannt. Manchmal habe ich gedacht, das kann auf die Dauer nicht gut gehen. Eines schönen Tages hat Ruud noch ein Messer im Bauch, so wie Theo van Gogh.«
Ein Messer war es zwar nicht, denkt Julia, aber das Ergebnis ist dasselbe.
Julia hat wie Sjoerd Überstunden gemacht, trotzdem ist sie mir ihrer Schreibtischarbeit noch längst nicht fertig. Häuft sich diese zu sehr, sehnt Julia sich manchmal nach der Zeit zurück, in der sie als Streifenpolizistin unterwegs war. Sie mochte es, durch die Stadt zu gehen, hier und da einen Streit zu schlichten oder bei einer Rauferei einzugreifen.
Trotzdem hat sie zugegriffen, als sich ihr die Möglichkeit bot, zur
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