Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Malanger Fjord

Am Malanger Fjord

Titel: Am Malanger Fjord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Mügge
Vom Netzwerk:
bis zur Schwanzspitze. Sein schwarzer Kamm, borstig und kurzgeschoren, stand steil auf dem schön gebogenen Hals, seine zierlichen schwarzen Füße und Hufe waren spiegelblank, und wie der Schaum um die roten Zügel flockte, die mit weißen Schlangenmuscheln besetzt waren, wie die Sonne auf dem Juchtensattel glänzte, der seine gelben funkelnden Nägelreihen zeigte, und das Tier auf der moosigen Ebene des Fjelds leicht dahinflog, ließ sich kaum etwas Schöneres denken. Stureson folgte der Reiterin mit gierigen Blicken und Gedanken, und hinter ihnen trabte Hvaland auf einem schwereren Klepper, vergnügt lachend über die Munterkeit seiner Kinder.
Erst auf der höchsten Erhebung des Fjelds hielt Mary das mutige Tier an und erwartete Stureson. Dies war der Punkt, wo er selbst gestern gehalten und das Meer und die tiefen Schluchten des Gebirges betrachtet hatte. Er bemerkte, daß Marys Augen sich forschend auf die Birken richteten, wo die Zelte der Kinder Herna Jubas gestanden, und er zweifelte nicht, daß Stockfleth ihr davon erzählt hatte. Aber es war nichts mehr davon zu sehen. Kein Rauch stieg auf, kein Rentier streckte sein gehörntes Haupt hervor, kein gelber Zottelhund ließ sein heiseres Bellen hören. Die Familie war weitergezogen, irgendein Versteck barg während des Marktes ihre Tiere, und Stureson hatte keine Lust, Marys Erinnerungen aufzufrischen.
»Wie schön ist es hier!« rief sie ihm entgegen, »wie herrlich und wunderbar ist mein Vaterland selbst in diesen wilden und unbewohnten Gebirgen!«
»Aber viel schöner noch ist es da, wo Menschen wohnen«, sagte Stureson. »Ich werde bald andere Berge mit dir besteigen, meine liebe Mary, von denen du auf andere Fjorde hinabsehen sollst, wo Wälder von Kirschen und Nußbäumen stehen, wo süße Birnen und Äpfel reifen und wo alles dein sein soll, was dein Herz begehrt.«
»Mein Herz«, erwiderte sie, die Augen zu ihm aufschlagend und ihn forschend betrachtend, »ist genügsam, und dennoch verlangt es mehr als andere. Auch meine Wünsche sind bescheiden, obwohl sie dir unbescheiden dünken könnten.«
»Erkläre mir deine Rätsel, Mary«, entgegnete Stureson, der sich von ihren Blicken eigentümlich betroffen fühlte.
»Jetzt nicht«, wehrte sie ab, »mein Vater kommt. Laß uns bis an die Schlucht ihm entgegenreiten; ich denke, es muß schön sein, dort hinabzusehen.«
Sie trieb ihr Pferd dahin, wo der Bach von Felsen zu Felsen in den Spalt sprang und seinen kühlen Staub vom Luftzug zurücktragen ließ. Schlanke Bergtannen und Birken hielten die Seiten der Tiefe dicht besetzt, die so grün und lieblich aussah und so sonnig beglänzt, und dann wieder von schweren Schatten umnachtet wurde, daß jedes Auge mit Wohlgefallen hinabblicken mußte. Geheimnisvoll umhüllte der dichte Wald die schroffen Wände, aber Stureson meinte irgendein Wesen zu entdecken, das mit großer Geschwindigkeit sich zwischen den Büschen fortbewegte und unter den schwarzen Tannen verschwand. War es ein Mensch oder ein Tier? Er wußte es nicht. Auch Mary hatte den flüchtigen Schatten bemerkt, und beide teilten sich ihre Vermutungen mit.
»Ein Bär«, sagte Stureson, »würde sich nach seiner Gewohnheit eher aufgerichtet und uns erwartet haben. Ich meine weit eher, daß es ein Lappe war, deren viele sich seit einigen Tagen schon von allen Seiten dem Malanger Fjord nähern, um ihre Klagen anzubringen und ihre Käufe und Verkäufe zu machen.«
»Und darum«, rief Hvaland, der inzwischen näher gekommen war, »laßt uns nicht länger hier nach dem Ungeziefer umhersehen, früh genug wird es uns in den Weg kommen! Lappen haben nie Gutes im Sinn, und wenn sie sich verkriechen, ist ihnen am wenigsten zu trauen.«
Stureson lachte. »Sie denken zu übel von den armen Leuten«, sagte er, indem er die Wirkung seiner Worte auf Mary beobachtete, »die doch auch ihre guten Eigenschaften haben. Ich bin zufällig neulich mit einer wandernden Familie zusammengetroffen, habe bei ihr gesessen und ihr Mahl geteilt. Sie waren alle freundlich und gefällig und sprachen verständig über ihre Lage. Die Schwärmerei des Propstes Stockfleth rechtfertige ich freilich nicht, aber wie roh und unwissend sie ihr wanderndes Hirtenleben auch macht, wir, die wir besser und gesitteter sein wollen, müssen als Christen uns ihrer annehmen und ihr Menschenrecht an ihnen achten.«
Hvaland widersprach dem in seiner Weise, aber der kluge Landrichter merkte wohl, welchen Eindruck seine Worte auf Mary gemacht hatten. Sie sah ihn

Weitere Kostenlose Bücher