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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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weiße Zähne sehen ließ, und einen Augenblick wirkte er sehr jung, nicht älter als Akiva selbst. «Während ich meine Doktorarbeit in Anthropologie schrieb, lebte ich eine Zeit lang bei den Indianern und studierte ihre Religion. Später verbrachte ich einige Zeit in Indien, wo ich östliches Gedankengut und transzendentale Meditationen studierte. Letztlich aber muss man das Äquivalent dazu im eigenen Kulturkreis finden. Man muss heimkehren. Ich bin heimgekehrt. Und du musst es auch tun, Akiva.»
    «Aber wenn ich hier bleibe, nur bis zum Ende dieser Woche …»
    Reb Mendel schüttelte den Kopf. «Du weißt noch nicht genug, um von diesem Aufenthalt zu profitieren. Man sagte mir, dass du in der Zeit, seit du bei uns bist, gelernt hast, deine Gebete auf Hebräisch zu lesen – stockend. Aber du verstehst natürlich nicht, was du liest. Wenn wir uns hier unterhalten, sprechen wir englisch, gewiss, aber ebenso jiddisch und gelegentlich hebräisch, was du beides nicht verstehst. Du würdest nur deine Zeit verschwenden. Du hast noch ein paar Tage von deinem Urlaub, darum rate ich dir, nutze sie und fahr nach Hause.»
    Der junge Mann gab sich keine Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. Reb Mendels Züge wurden weicher. «Siehst du denn nicht ein», sagte er freundlich, «dass der Streit mit deinem Vater deine spirituelle Entwicklung behindert? Solange es in deiner Vergangenheit etwas gibt, das dich beunruhigt und deine Konzentration stört, wirst du niemals die Ruhe und Gelassenheit erreichen, die für die Ekstase, die wir anstreben, Voraussetzung ist.»
    «Es ist ja nicht nur das», flehte Akiva. «Wir sind nie miteinander ausgekommen. Er hatte so altmodische Ideen – sogar über die Geschäftsmethoden. Vieles wollte er nicht führen, weil er meinte, es vertrage sich nicht mit der Würde einer Apotheke. Sogar die Rezepte mussten auf eine ganz bestimmte Art und Weise ausgeführt werden. Während zum Beispiel jede Apotheke in der Stadt Plastikröhrchen für Pillen benutzte, nahm er immer noch Glasflaschen, weil er behauptete, die Röhrchen seien nicht luftdicht, obwohl es nur ein paar Pillen gab – Nitroglyzerin etwa –, die an der Luft verderben.»
    «Und das findest du unerträglich?»
    «Nein, aber altmodisch. Die Flaschen sind teurer, und statt das Etikett, wie bei den Röhrchen, einfach reinzuschieben, musste man es aufkleben. Das sage ich jetzt nur als Beispiel. Na, und dass wir länger offen hatten als die anderen Geschäfte, weil er fand, so viel Verantwortlichkeit müsse eine Apotheke der Bevölkerung gegenüber schon aufbringen. Manchmal riefen Ärzte mitten in der Nacht an, und ich musste rüber ins Geschäft, um das Medikament fertig zu machen und es vielleicht sogar noch abzuliefern.»
    «Und darüber habt ihr euch gestritten? Das war doch eine gute Tat, eine mizwe. Du hast kranken Menschen geholfen.»
    «Nein, darüber haben wir nicht gestritten. Ich wollte Ihnen nur eine Vorstellung davon geben, wie ich über das Geschäft dachte.» Er lächelte matt. «Deswegen habe ich an jenem Morgen verschlafen. Wenn das eine mizwe war, dann habe ich, weiß Gott, keinen Lohn dafür erhalten.»
    «Für eine mizwe erwartet man keinen Lohn. Wenn man das tut, ist es keine mizwe mehr, sondern der Versuch, mit dem Allmächtigen einen Handel abzuschließen. Außerdem erkennt man den Lohn nicht immer, wenn man ihn erhält.» Nachdenklich strich er sich den Bart.
    «Ja, das mag sein», stimmte Akiva bedrückt zu und starrte nachdenklich auf seine Hände. Dann hob er den Kopf und versuchte es noch einmal. «Er hat mir auch nicht so viel bezahlt, wie er einem anderen Apotheker hätte zahlen müssen, und ich habe viel länger gearbeitet. Weil ich sein Sohn war. Er sagte immer: ‹Das Geschäft gehört dir. In ein paar Jahren werde ich mich zurückziehen, und du wirst es übernehmen, wie ich damals von meinem Vater.› Als wäre das eine Familientradition», ergänzte er bitter, «wie bei einer Bank, einer Eisenbahnlinie oder einem großen Konzern. Dabei war’s doch bloß ein kleiner Drugstore. Und wenn das Geschäft mir gehörte, wieso schlug er dann solchen Krach, als ich mir etwas von dem nahm, was mir ohnehin gehörte?»
    «Diese Familientradition – hast du überhaupt kein Gefühl dafür?»
    Der junge Mann schüttelte den Kopf. «Für mich ist das nichts weiter als ein Job. Wenn ich nach Hause zurückkehre, fängt er wieder davon an, dass ich die Tradition fortsetzen soll, und dann gibt es wieder Streit.»
    Reb Mendel

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