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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Das Ganze wirkte vage khalidorisch. Das
Haar hatte er sich zu winzigen, kunstvollen Zöpfen geflochten, die mit goldenen Perlen bedeckt waren; die Perlen brachten seine schwarze Haut besonders gut zur Geltung.
    »Ich habe den perfekten Auftrag für dich«, sagte Jarl mit gesenkter Stimme, aber ohne zu bereuen, dass er gelauscht hatte.
    »Kein Mord?«, hakte Kylar nach.
    »Nicht direkt.«
     
     
    »Euer Heiligkeit, die Feiglinge stehen bereit, um ihre Schuld zu begleichen«, erklärte Vürdmeister Neph Dada, dessen Stimme sich über die Menge erhob. Er war ein alter Mann mit deutlich hervortretenden Adern und zahlreichen Leberflecken, gebeugt und nach Tod stinkend, den er mit Magie in Schach hielt. Sein Atem rasselte von der Anstrengung, nachdem er das Podest im großen Innenhof von Burg Cenaria erklommen hatte. Zwölf mit Knoten versehene Schnüre hingen über den Schultern seiner schwarzen Robe, Sinnbild für die zwölf Shu’ras, die er gemeistert hatte. Neph kniete mit einiger Mühe nieder und hielt dem Gottkönig eine Handvoll Stroh hin.
    Gottkönig Garoth Ursuul stand auf dem Podest und musterte seine Truppen. Vorn und in der Mitte standen fast zweihundert Hochländer aus Graavar, hochgewachsene, blauäugige Wilde mit mächtigem Oberkörper, die ihr schwarzes Haar kurz und ihre Schnurrbärte lang trugen. Zu beiden Seiten standen die anderen Eliteeinheiten der Hochlandstämme, die die Burg erobert hatten. Hinter ihnen wartete der Rest der regulären Armee, die seit der Befreiung in Cenaria einmarschiert war.
    Zu beiden Seiten der Burg erhob sich Nebel über dem Plith, glitt unter die rostigen Zähne des eisernen Fallgitters und ließ
die Menge frieren. Die Graavar waren in fünfzehn Gruppen von jeweils dreizehn Männern aufgeteilt worden, und sie allein hatten weder Waffen noch Rüstung noch Roben. Sie standen in ihren Hosen da, die bleichen Gesichter starr, aber statt an dem kühlen Herbstmorgen zu zittern, schwitzten sie.
    Es gab niemals Unruhe, wenn der Gottkönig seine Truppen begutachtete, aber heute schmerzte das Schweigen, obwohl Tausende gekommen waren, um zuzuschauen. Garoth hatte so viele Soldaten wie möglich versammelt und den cenarischen Dienstboten, den Adligen und den kleinen Leuten ebenfalls gestattet zuzusehen. Meister in ihren schwarz-roten Halbumhängen standen Schulter an Schulter mit in Roben gewandeten Vürdmeistern, Soldaten, Kleinbauern, Fassbindern, Adligen, Feldarbeitern, Mägden, Seeleuten und cenarischen Spionen.
    Der Gottkönig trug einen weiten, weißen Umhang mit Hermelinbesatz, um seine breiten Schultern gewaltig wirken zu lassen. Darunter befand sich eine ärmellose, weiße Robe über weiten, weißen Hosen. All das Weiß ließ seine bleiche khalidorische Haut geisterhaft erscheinen und lenkte die Aufmerksamkeit auf die Vir, die auf seiner Haut spielten. Schwarze Ranken der Macht stiegen an die Oberfläche seiner Arme. Große Knoten hoben und senkten sich, Knoten, umrahmt von Dornen, die sich nicht nur hin und her bewegten, sondern auch in Wellen von oben und unten aufstiegen und sich aus seiner Haut drückten. Die Vir beschränkten sich nicht auf seine Arme. Sie erhoben sich, um sein Gesicht einzurahmen. Sie erhoben sich zu seinem kahlen Schädel und durchdrangen die Haut, sodass sie eine dornige, bebende, schwarze Krone bildeten. Blut rann an den Seiten seines Gesichts hinab.

    Für viele Cenarier war es das erste Mal, dass sie den Gottkönig sahen. Ihre Münder standen vor Staunen weit offen. Sie schauderten, als sein Blick über sie hinwegglitt. Es war genauso, wie er es beabsichtigt hatte.
    Schließlich wählte Garoth einen der Strohhalme von Neph Dada und brach ihn entzwei. Eine Hälfte warf er weg und griff dann nach zwölf unversehrten Halmen. »So soll Khali sprechen«, sagte er, seine Stimme kraftvoll vor Macht.
    Er bedeutete den Graavar, auf das Podest zu steigen. Während der Befreiung hatten sie den Befehl gehabt, diesen Innenhof zu sichern, damit die cenarischen Edelleute nicht entkommen und später ermordet werden konnten. Stattdessen waren die Hochländer in die Flucht geschlagen worden, und Terah Graesin und ihre Edelleute waren geflohen. Dies war inakzeptabel, unerklärlich und untypisch für die grimmigen Graavar. Garoth verstand nicht, was Männer dazu brachte, an einem Tag zu kämpfen und am nächsten zu fliehen.
    Was er jedoch verstand, war Scham. Während der vergangenen Woche hatten die Graavar Ställe ausgemistet, Nachttöpfe geleert und Böden geschrubbt.

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