Amber-Zyklus 09 - Ritter der Schatten: der Titel
einschob.
Er hob den Kelch und hielt ihn mit beiden Händen vor sich, wie eine Bettlerschale.
»Etwas von deinem Blut«, sagte er.
»Bist du zum Vampir geworden?«
»Nein, ich bin ein Muster-Geist«, antwortete er. »Blute für mich, und ich werde es dir erklären.«
»Also gut«, willigte ich ein. »Aber ich hoffe sehr, daß es eine gute Geschichte ist«. Dann zog ich meinen Dolch und ritzte mir das Handgelenk auf, das ich über seinen Kelch hielt.
Wie bei einer umgestürzten Öllampe loderten die Flammen auf. Natürlich fließt in mir nicht wirklich ein Feuer. Doch das Blut eines Chaositen ist an manchen Orten höchst entflammbar, und dies war offensichtlich ein solcher Ort.
Es spritzte heraus, zum Teil in den Kelch, zum Teil daran vorbei, ergoß sich über seine Hand, seinen Unterarm. Er schrie auf und schien in sich zusammensinken zu wollen. Ich trat zurück, und er verwandelte sich in einen Wirbel (jenen Wirbeln nicht unähnlich, die den Opferungen folgten, deren Zeuge ich geworden war), nur daß dieser feuriger war, der sich mit einem Donnern in die Luft erhob und gleich darauf verschwunden war. Ich blieb verdutzt zurück, starrte hinauf und behandelte mein qualmendes Handgelenk mit direkter Druckmassage.
Uff, ein farbenprächtiger Abgang, bemerkte Frakir.
»Eine Spezialität der Familie«, erwiderte ich, »und da wir gerade von Abgang sprechen, fällt mir >Ausgang< ein...«
Ich trat an dem Stein vorbei und verließ den Kreis. Die Dunkelheit drang wieder herein, verdichtete sich. Als Reaktion darauf schien mein Weg heller zu werden. Ich ließ mein Handgelenk los, da ich sah, daß es aufgehört hatte zu qualmen.
Dann verfiel ich in einen Laufschritt, eifrig bemüht, mich so schnell wie möglich von diesem Ort zu entfernen. Als ich kurze Zeit später zurückblickte, sah ich die aufgerichteten Steine nicht mehr. Es war nur noch ein schwindender blasser Wirbel da, der sich nach oben verzog, immer höher, und schließlich verschwand.
Ich trabte weiter, und allmählich neigte sich der Pfad hangabwärts, bis ich mich schließlich mit leichten hüpfenden Schritten bergab bewegte. Der Pfad verlief wie ein leuchtendes Band nach unten und in eine weite Feme, bevor er sich außer Sicht verlor. Es erstaunte mich jedoch, daß er ein geringes Stück unter mir eine andere leuchtende Linie kreuzte. Diese Linie verblaßte jedoch schnell zu meiner Linken und Rechten.
»Gibt es besondere Anweisungen, was die Kreuzungen mit den Querstraßen betrifft?« erkundigte ich mich.
Bis jetzt nicht, antwortete Frakir. Vermutlich handelt es sich um Entscheidungspunkte, ohne daß man weiß, worum es dabei geht, bevor man dorthin gelangt.
Es war anscheinend eine ausgedehnte schattige Ebene, die sich dort unten erstreckte, hier und da von mehreren einsamen Lichtpunkten durchsetzt, von denen einige beständig leuchteten, andere erschienen und wieder vergingen, alle jedoch am gleichen Fleck blieben. Es gab keine andere Linien als die meines Pfades und diejenige, die ihn kreuzte. Es gab keine anderen Geräusche als die meines Atems und die meiner Schritte. Es gab keine Luftströmungen, keine bemerkenswerten Gerüche, und die Temperatur war so gemäßigt, daß sie keinerlei Aufmerksamkeit beanspruchte. Wieder waren zu beiden Seiten dunkle Formen, doch ich hatte kein Verlangen danach, sie zu erforschen. Ich wollte nichts weiter, als diese Geschichte, wie immer sie ablaufen mochte, zu einem Ende zu bringen, hier herauszukommen und mich so bald wie möglich wieder meinen eigenen Angelegenheiten zu widmen.
Dann erschienen dunstige Lichtflecken in unregelmäßigen Zeitabständen zu beiden Seiten des Pfades, wabernd, ohne erkennbaren Ursprung; Schwaden, die aufwallten und wieder zusammensackten. Sie wirkten wie hauchdünne geraffte Vorhänge neben dem Weg, und anfangs nahm ich mir nicht die Zeit, sie zu untersuchen, bis die undurchsichtigen Schleier immer weniger wurden und schließlich von Tonabstufungen abgelöst wurden, die eine immer bessere Unterscheidung zuließen. Es war beinahe so, als ob eine Scharfeinstellung durchgeführt würde, bei der sich mit zunehmend klarerer Sicht die Umrisse vertrauter Gegenstände abzeichneten: Stühle, Tische, geparkte Autos, Schaufenster. Nach einiger Zeit tauchten blasse Farben in diesen Bildern auf.
Ich blieb neben einem davon stehen und betrachtete es. Es zeigte einen 57er Chevy mit Schnee darauf, in einer bekannt aussehenden Einfahrt abgestellt. Ich näherte mich ihm und streckte die Hand danach
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