Amber-Zyklus 09 - Ritter der Schatten: der Titel
war, und verschwand darin. Sofort sah ich zur anderen Seite des Weges, doch er erschien nicht unter dem >Ausgang<-Zeichen. Ich machte eine Kehrtwendung und trat meinerseits in den Dolmen. Jenseits, auf der anderen Seite des Weges, gelangte ich wieder hinaus und erhaschte einen Blick auf mich selbst, wie ich in den Eingang trat. Den Fremden sah ich jedoch nirgends.
»Was hältst du davon?« fragte ich Frakir, während ich mich wieder auf den Pfad begab.
Vielleicht ist das der hier herrschende Geist? Ein widerlicher Geist, der an einem widerlichen Ort herrscht? mutmaßte sie. Ich weiß nicht, aber ich glaube, er war auch eines dieser verdammten Gebilde, die es hier gibt - und die ziemlich stark sind.
Ich setzte den Fuß auf den Pfad und folgte weiter seinem Verlauf.
»Dein Sprachmuster hat sich gewaltig verändert, seit du die Verstärkung erfahren hast«, stellte ich fest.
Dein Nervensystem ist ein guter Lehrer.
»Danke. Wenn dieser Kerl erneut Gestalt annimmt und du ihn spürst, bevor ich ihn sehe, gib mir ein Zeichen.«
Klar. Eigentlich spüre ich an diesem ganzen Ort irgendwelche von diesen Gebilden.
»Wann hast du das gemerkt?«
Als ich zum erstenmal den Ausgang genauer unter die Lupe genommen habe. Ich habe ihn nach Gefahren untersucht.
Als wir die Peripherie des äußeren Kreises erreichten, schlug ich gegen einen Stein. Er fühlte sich ziemlich massiv an.
Er ist hier! warnte Frakir plötzlich.
»He!« erklang eine Stimme über mir, und ich sah hinauf. Der schwarz-weiße Fremde saß oben auf dem Stein und paffte eine dünne Zigarre. In der linken Hand hielt er einen Trinkkelch. »Du interessierst mich, Junge«, fuhr er fort. »Wie heißt du?«
»Merlin«, antwortete ich. »Und du?«
Anstatt zu antworten, schob er sich über den Rand, fiel im Zeitlupentempo herunter und landete neben mir auf den Füßen.
Sein linkes Auge blinzelte, während er mich musterte. Der Schatten strömte wie dunkles Wasser an seiner rechten Seite hinab. Er bließ silbernen Rauch in die Luft.
»Du bist ein Lebendiger«, verkündete er dann, »und du trägst das Zeichen des Musters und das Zeichen des Chaos. In dir fließt das Blut von Amber. Welcher Abstammung bist du, Merlin?«
Der Schatten teilte sich für einen Augenblick, und ich sah, daß sein rechtes Auge unter einer Klappe verborgen war.
»Ich bin der Sohn Corwins«, ließ ich ihn wissen, »und du bist... irgendwie ...der Verräter Brand.«
»Du hast meinen Namen erraten«, sagte er, »aber ich habe niemals das betrogen, an das ich glaubte.«
»Nämlich deinen eigenen Ehrgeiz«, sagte ich.
»Deine Heimat und deine Familie und die Kräfte der Ordnung haben dir nie etwas bedeutet, nicht wahr?«
Er schnaubte verächtlich durch die Nase.
»Ich werde nicht mit einem anmaßenden Grünschnabel streiten.«
»Ich habe auch keine Lust, mit dir zu streiten. Denn wenn es irgendwelche Wertmaßstäbe gibt, dann ist dein Sohn Rinaldo wahrscheinlich mein bester Freund.«
Ich wandte mich ab und marschierte los. Seine Hand fiel auf meine Schulter.
»Warte!« sagte er. »Was soll dieses Geschwätz? Rinaldo ist doch noch ein Junge.«
»Falsch«, widersprach ich. »Er ist ungefähr in meinem Alter.«
Seine Hand sackte herab, und ich drehte mich um. Er hatte die Zigarre fallen gelassen, die nun rauchend auf dem Weg lag, und den Trinkkelch hielt er nun in der schattenumhüllten Hand. Er rieb sich die Stirn.
»Soviel Zeit ist vergangen...«, sinnierte er.
Aus einer Laune heraus zog ich meine Trümpfe aus der Tasche, blätterte Lukes heraus und hielt die Karte hoch, damit er sie sehen konnte.
»Das ist Rinaldo«, sagte ich.
Er griff danach, und aus einem unerfindlichen Grund ließ ich es zu, daß er sie an sich nahm. Er betrachtete sie lange.
»Trumpf-Kontakte lassen sich anscheinend von hier aus nicht herstellen«, sagte ich.
Er blickte auf, schüttelte den Kopf und reichte mir die Karte zurück.
»Nein, das ist nicht möglich«, bestätigte er. »Wie... geht es ihm?«
»Du weißt sicher, daß er Caine getötet hat, um dich zu rächen.«
»Nein, das wußte ich nicht. Aber ich habe nichts Geringeres von ihm erwartet.«
»Du bist nicht der richtige Brand, oder?«
Er warf den Kopf zurück und lachte.
»Ich bin mit Haut und Haaren Brand, aber ich bin nicht der Brand, den du vielleicht gekannt hast. Jede weitere Auskunft wird dich etwas kosten.«
»Was würde es mich kosten zu erfahren, wer du wirklich bist?« erkundigte ich mich, während ich die Karten wieder
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