Amber-Zyklus 09 - Ritter der Schatten: der Titel
Gefühl wie damals bei unserer Begegnung innerhalb des Logrus, als ich meine Erst-Verstärkung erfuhr.
»Ich verstehe. Nächste Frage: Könnte es sein, daß das Einhorn und die Schlange, die wir in der Kapelle gesehen haben, von derselben Art waren wie die Oberon- und Dworkin-Gestalten damals in der Höhle?«
Nein, das hätte ich gemerkt. Sie waren ganz anders. Sie waren furchterregend und mächtig und so ziemlich das, was sie zu sein schienen.
»Gut«, sagte ich. »Ich hatte schon Angst, dies sei eine raffinierte Charade von Seiten des Geistrads.«
Das habe ich aus deinen Gedanken herausgelesen. Obwohl ich nicht sehen kann, warum die Tatsache, daß das Einhorn und die Schlange Realität waren, dieser These widersprechen. Sie hätten sich einfach in das System von Geist einschleichen können, um dir zu befehlen, mit deinen Eskapaden aufzuhören, weil sie diese Geschichte zu Ende bringen wollten.
»Daran habe ich gar nicht gedacht.«
Und vielleicht ist es Geist gelungen, einen Ort auszumachen und in ihn einzudringen, der für das Muster und den Logrus mehr oder weniger unzugänglich ist.
»Ich nehme an, das könnte ein Gesichtspunkt sein. Leider wirft mich das an meinen Ausgangspunkt zurück.«
Nein, weil dieser Ort nicht von Geist errichtet wurde. Er war schon immer da. Das habe ich vom Logrus erfahren.
»Dieses Wissen könnte vielleicht ein klein wenig tröstlich sein, aber...«
Ich führte den Gedanken nicht zu Ende, denn eine plötzliche Bewegung lenkte meine Aufmerksamkeit auf das gegenüberliegende Viertel des Kreises. Dort entdeckte ich einen Altar, der mir zuvor nicht aufgefallen war; eine weibliche Gestalt stand davor, ein gefesselter Mann, gesprenkelt von Licht und Schatten, lag darauf. Beide sahen dem ersten Paar sehr ähnlich.
»Nein!« schrie ich. »Aufhören!«
Doch die Klinge senkte sich, während ich mich auf die Szene zubewegte. Das Ritual wurde wiederholt, der Altar brach zusammen, und wieder einmal wirbelte alles davon. Als ich die Stelle erreichte, gab es keine Hinweise darauf, daß irgend etwas Ungewöhnliches geschehen war.
»Welchen Reim machst du dir darauf?« fragte ich Frakir.
Dieselben Kräfte wie zuvor, aber irgendwie umgekehrt.
»Warum? Was wird hier gespielt?«
Es geht um ein Zusammenziehen der Kräfte. Sowohl das Muster als auch der Logrus versuchen, sich einen Weg an diesen Ort zu bahnen. Zumindest eine Zeitlang machen sie gemeinsame Sache. Solche Opfer wie jene, derer du soeben Zeuge geworden bist, helfen dabei, die Öffnungen zu sichern, die sie brauchen.
»Warum sollen sie sich hier manifestieren?«
Dies ist neutraler Boden. Ihre uralte Spannung verlagert sich auf ganz feine Weise. Von dir wird erwartet, daß du das Mächte-Gleichgewicht so oder so aus der Ruhestellung bringst.
»Ich habe nicht die blässeste Ahnung, wie ich dabei vorgehen soll.«
Wenn die Zeit gekommen wird, wirst du es wissen.
Ich wandte mich wieder dem Weg zu und marschierte weiter.
»War es Zufall, daß ich gerade in dem Augenblick vorbeikam, als die Opfer fällig waren?« sagte ich. »Oder waren die Opfer fällig, weil ich vorbeikam?«
Es war vorgesehen, daß die Opferungen in deiner Nähe stattfanden. Du bist mit ihnen verknüpft.
»Dann kann ich also deiner Meinung nach erwarten...«
Eine Gestalt trat hinter einem Stein zu meiner Linken hervor und kicherte leise. Meine Hand fuhr zum Schwert, doch seine Hände waren leer, und er bewegte sich langsam.
»Selbstgespräche. Kein gutes Zeichen«, bemerkte er.
Der Mann war eine Studie in Schwarz, Weiß und Grau. Tatsächlich hätte er aufgrund der Dunkelheit, die seine rechte Seite einhüllte, und dem Lichtschimmer auf der linken derjenige sein können, der beim erstenmal den Dolch gehalten hatte. Ich vermochte es nicht zu sagen. Wer immer oder was immer er auch sein mochte, ich verspürte kein Verlangen, seine nähere Bekanntschaft zu machen.
Also zuckte ich mit den Schultern.
»Das einzige Zeichen, das mir wichtig ist, ist das mit der Aufschrift >Ausgang<«, erklärte ich ihm, als ich an ihm vorbeistrich.
Seine Hand fiel auf meine Schulter, und ich wandte mich beiläufig zu ihm um.
Wieder das Kichern.
»Du mußt an diesem Ort vorsichtig sein, wenn du Wünsche äußerst«, sagte er in einem tiefen und wohlbemessenen Ton. »Denn manchmal werden hier Wünsche erfüllt, und wenn der Wünscheerfüller moralisch verdorben ist und >Ausgang< als >letzter Ausweg< mißversteht - nun, dann puff! Vielleicht hörst du dann auf zu sein. Löst dich
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