Amber-Zyklus 09 - Ritter der Schatten: der Titel
aus.
Meine linke Hand samt Arm verblaßten, als sie in das schwache Licht eindrangen. Ich streckte die Hand zur linken Seite hin aus. Es folgten das undeutliche Gefühl einer Berührung und eine schwache Kälte. Dann fuhr ich mit der Hand nach links und fegte etwas von dem Schnee weg. Als ich die Hand zurückzog, lag Schnee darauf. Sofort verging das Bild in Schwärze.
»Ich habe absichtlich die linke Hand benutzt«, sagte ich, »mit dir am Handgelenk. Was war dort?«
Vielen Dank. Es sah aus wie ein rotes Auto mit Schnee darauf.
»Es war ein Gebilde, daß jemand aus meinem Geist gestohlen hat. Das ist mein Gemälde von Polly Jackson, auf Lebensgröße vergrößert.«
Dann entwickeln sich die Dinge zum schlechteren, Merle. Ich habe nicht erkannt, daß es etwas Konstruiertes war.
»Welche Schlußfolgerung ziehst du daraus?«
Was immer hinter diesen Aktionen steckt, es wird besser darin - oder stärker. Oder beides.
»Mist!« schimpfte ich, wandte mich ab und lief weiter.
Vielleicht will etwas dir zeigen, daß es dich jetzt uneingeschränkt täuschen kann.
»Dann ist ihm das gelungen«, bestätigte ich. »He, Etwas!« rief ich. »Hast du das gehört? Du gewinnst! Du hast mich uneingeschränkt getäuscht! Kann ich jetzt nach Hause gehen? Wenn du jedoch etwas anderes beabsichtigst hast, dann ist es dir nicht gelungen. Ich habe die Pointe überhaupt nicht mitbekommen!«
Der grelle Blitz, der darauf folgte, warf mich zu Boden und machte mich vorübergehend blind. Ich lag angespannt und zuckend da, doch es folgte kein Donnerschlag. Als meine Sicht wieder klar wurde und meine Muskeln mit den krampfhaften Zuckungen aufhörten, sah ich eine riesige königliche Gestalt nur wenige Schritt vor mir stehen: Oberon.
Doch es war ein Standbild, ein Duplikat jener Statue, die am unteren Ende der Hauptstraße in Amber stand, oder vielleicht sogar genau diese, denn bei näherer Betrachtung entdeckte ich Flecken auf der Schulter des großen Mannes, die Vogeldreck zu sein schienen.
»Echt oder eine Nachbildung?« fragte ich laut.
Echt, würde ich sagen, antwortete Frakir.
Ich erhob mich langsam.
»Mir kommt es so vor, als sollte dies eine Antwort sein«, sagte ich. »Ich verstehe nur nicht, was sie bedeutet.«
Ich streckte die Hand aus, um das Gebilde zu berühren, und es fühlte sich eher an wie Segeltuch und nicht wie Bronze. In diesem Augenblick verlagerte sich meine Sicht ein wenig, und ich spürte, daß ich ein überlebensgroßes Gemälde mit dem Titel >Der Landesvater< berührte. Dann verschwammen die Ränder, es verblaßte, und ich sah, daß es Teil einer jener dunstigen Schilderwände war, an denen ich vorbeigekommen war. Dann kräuselte es sich und war gleich darauf verschwunden.
»Ich gebe auf«, sagte ich, während ich über jene Stelle schritt, die das Gebilde ein paar Sekunden zuvor noch innegehabt hatte. »Die Antworten sind verwirrender als die Situationen, die die Fragen hervorrufen.«
Da wir zwischen den Schatten umherwandeln, könnte dies nicht der Beweis für die Behauptung sein, daß alle Dinge real sind - irgendwo?
»Vielleicht. Aber das wußte ich bereits.«
Und daß alle Dinge auf verschiedene Weise real sind, zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten?
»Was du sagst, könnte durchaus die Botschaft sein. Ich bezweifle jedoch, daß jemand dafür zu solch extremen Maßnahmen griffe, nur um eine philosophische Erkenntnis zu verkünden, die für dich vielleicht neu sein mag, die aber ansonsten ein alter Hut ist. Es muß einen besonderen Grund dafür geben, einen, der sich mir immer noch nicht erschlossen hat.«
Bis jetzt waren die Darstellungen, an denen ich vorbeigekommen war, Stilleben gewesen. Die jetzige Nummer jedoch enthielt Leute und einige andere Geschöpfe. Es war eine Handlung darin - zum Teil gewalttätig, zum Teil erotischer Natur, zum Teil schlichtes Alltagsgeschehen.
Ja, da scheint eine Entwicklung stattzufinden. Vielleicht führt sie zu irgendeinem bestimmten Ziel.
»Wenn sie hervorstürzen und mich angreifen werden, dann weiß ich, daß ich an diesem Ziel angekommen bin.«
Wer weiß? Ich habe gehört, daß Kunstkritik ein komplizierter Bereich ist.
Doch die Bilderfolge hörte kurz darauf auf, und ich blieb zurück und rannte wieder im Laufschritt auf meinem hellen Pfad durch die Dunkelheit. Den immer noch sanft geneigten Hang hinunter auf die Kreuzung zu. Wo war die Cheshire-Katze in diesem Augenblick, da ich Kaninchenbaulogik dringend brauchte?
Ich betrachtete einen
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