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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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du sehen, was du davon hast, Hand. Er spuckte die Cola in die Spüle, kurz schäumte sie auf. Seit dem zweiten Einsatz, ja, eigentlich seit dem Abflug aus Babylon kribbelte es in seiner Hand. Am Anfang hatte er es ignoriert, doch mit der Zeit war es stärker und stärker geworden, manchmal war es so stark, dass er kein Glas halten konnte, ohne dessen Inhalt zu verschütten.
    Was hatte Renia gesagt? Ihnen blieben zwei Tage Zeit.
    Bartosz entschied sich für die Schuhe, die man nicht schnüren musste, schlüpfte hinein, nahm Cudny an die Leine und verließ die Wohnung, ohne sich zu verabschieden. Nur weil er es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, alle paar Tage bei seinen Eltern zu übernachten, hieß das nicht, dass er sie über jeden seiner Schritte informieren musste.
     
    Achtundvierzig Stunden darauf lösten sich erste Tropfen aus der Wolkendecke und prallten auf die Windschutzscheibe von Bartosz Myszas Mazda. Er ließ den Motor an und fuhr los. Die kleine Tour würde nicht ohne werden, dafür würde er schon sorgen.
    Er parkte den Mazda unweit Renias Wohnung und fand sie im sperrangelweit geöffneten Küchenfenster sitzend. Sie starrte auf die dunkle Front, die sich am Horizont abzeichnete. Zeit zu gehen, magic woman, sagte er, aber sie machte sich nicht einmal die Mühe, ihren Blick vom Himmel abzuwenden.
    Hast du es deinen Eltern gesagt? Sie rutschte von der Fensterbank herunter, Cudny bellte kurz auf.
    Damit mein Vater einen Herzinfarkt bekommt? Bist du wahnsinnig? Und jetzt zieh dir was über, sie kommt gleich an.
    Renia seufzte und verschwand im Inneren der Wohnung. Sie hatte sich verkniffen zu fragen, warum er seine – was war diese Frau denn eigentlich? Seine Cousine? – überhaupt abholen wollte, und vor allem, was sie, Renia, mit der ganzen Sache zu tun hatte. Aber es rührte sie, dass derselbe Typ, der im Irak gewesen war, Angst bekam vor deutschen Verwandten. Rasch zog sie sich an. Eine halbe Stunde später waren sie am Bahnhof angelangt. Die Anzeigen waren ausgefallen und mit einemglänzenden, feuchten Film überzogen. Als der Zug aus Szczecin endlich einfuhr, flüsterte Renia Bartosz zu: Reden wirst aber du mit ihr.
    Wird sowieso nicht viel geredet werden, sagte Bartosz und kniff seine Augen zusammen. Die Hand, die Cudnys Leine hielt, verbarg er hinter seinem Rücken. Das Zittern war wieder stärker geworden. Die ersten Passagiere stiegen aus und zogen sich ihre Kapuzen über.
     

    Kaum hatte ich das Gleis betreten, rammte mir jemand von hinten einen Koffer in die Kniekehlen. Ich sackte ein, in meinen Schenkeln kribbelte es, das Blut hatte sich nach der langen Zugfahrt darin gestaut. Seit Stettin hatte ich mich nicht besonders viel bewegt. Blöd war das gewesen. Aber wer in zehn Stunden zehn Fortgeschrittenen-Lektionen einer Fremdsprache lernen und sich daneben noch ein paar passende Sätze zur Begrüßung und Erklärung zurechtlegen will, der hat viel zu tun.
    Die Sonne ging gerade unter, irgendwie stickig war es, eine diffuse Helligkeit lag über den Köpfen der Menschen und dem Bahnhof. Ab und zu fiel ein Tropfen auf meinen Scheitel, ein Schwarm Tauben stieg auf, ein paar Kinder schmissen ihnen Kieselsteine hinterher, die zwei Sekunden später auf die Gleise prasselten. Neben einer Bank stellte ich meinen Koffer ab, knöpfte meine Jacke zu und wartete darauf, dass sich die Menschenmenge etwas lichten würde, ich wusste ja nicht einmal genau, wer mich abholen kam und ob man mich nicht vielleicht doch in letzter Sekunde vergessen hatte, wie eine unliebsame Hausarbeit. Vor Aufregung hatte ich nasse Handflächen, ich dachte, mir würde jemand entgegentreten,der mir etwas über mich selber offenbaren würde, der nah genug mit mir verwandt war, um mir zu ähneln, aber doch weit genug entfernt, um sich völlig anders ausgebildet zu haben. Dutzende Male hatte ich mir vorgestellt, wie ich die Familie Mysza in die Arme schließen würde, und sogar da, bei der Bank, schnürte es mir noch die Kehle vor lauter Rührung zu, und ich musste mich darauf konzentrieren, nicht wütend auf Emmerich zu werden, der mich mitgerissen hatte in sein Einsiedlerdasein, in diese Höhle, die er sich hinter seinen sieben Bergen gegraben und in der er so lange ausgeharrt hatte, bis das Leben an ihm vorbeigezogen war.
    Nach ein paar Minuten waren zwei Gestalten auf dem Gleis übrig geblieben, ein Mann und eine Frau. Als ich sie sah, dachte ich: Die gehören unmöglich zusammen. Der Typ mit dem riesigen Köter, seiner

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