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Amelia Peabody 01: Im Schatten des Todes

Titel: Amelia Peabody 01: Im Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Bemerkung über seine Manieren. Ich spreche und verstehe Italienisch nämlich ganz gut. Danach kam ich mit Piero wunderbar zurecht. Ich beschäftigte ihn ja nicht, weil ich einen Dolmetscher brauchte, sondern damit er Botengänge für mich erledigte und meine Pakete trug.
    Meine Sprachkenntnisse und die Mittel für Auslandsreisen stammten von meinem Vater, der Wissenschaftler war und ein Antiquariat hatte. In der kleinen Provinzstadt, in der er zu leben vorzog, gab es wenig Abwechslung, und so studierte er immer weiter. Ich habe einiges Talent für Sprachen, egal ob tot oder lebendig. Papa mochte sie lieber tot. Die Vergangenheit war seine Leidenschaft, und gelegentlich tauchte er daraus auch für kurze Zeit auf. Dann blinzelte er und stellte fest, daß ich, seit er mich zum letztenmal bemerkt hatte, ein ganzes Stück gewachsen war.
    Wir kamen wunderbar miteinander zurecht. Meine sechs älteren Brüder hatten nichts übrig für Vaters Studien. Sie waren erfolgreich als Kaufleute und in anderen Berufen, und so war eben ich die kleine Sonne der letzten Jahre meines Vaters. Mir gefiel dieses Leben, denn es gab mir Gelegenheit, meine wissenschaftlichen Neigungen zu entwickeln. Da mein Vater nichts übrig hatte für die praktischen Seiten des Lebens, blieben sie mir überlassen, und ich schacherte recht erfolgreich mit dem Bäcker und dem Fleischer. Nach Mr. Hodgkins, dem Fleischer, hatte ich mit Piero keine große Mühe.
    Später starb mein Vater; um genau zu sein: er schrumpfte immer mehr zusammen und vertrocknete völlig. Ein naseweises Hausmädchen behauptete, er sei schon volle zwei Tage tot gewesen, ehe es jemand bemerkte, doch das ist eine schamlose Übertreibung. Richtig ist, daß er irgendwann im Laufe der fünf Stunden, die ich in seinem Studierzimmer verbrachte, sanft entschlafen ist. Er saß in seinem Ohrenbackensessel und schien nachzudenken, doch als ich, einer Ahnung folgend, zu ihm trat, schauten mich seine Augen mit genau dem gleichen fragenden Blick an wie immer. Ich meine, das ist eine sehr gemütliche und schöne Art, zu sterben.
    Niemand war erstaunt, daß er seinen Besitz mir vermachte, denn ich war das einzige seiner Kinder ohne eigenes Einkommen. Meine Brüder hatten nichts dagegen einzuwenden, wie sie auch die treuen Dienste akzeptiert hatten, die ich meinem Vater leistete. Sie explodierten auch nicht, als sie erfuhren, daß dieses Vermögen eine halbe Million Pfund betrug. Sie waren eben dem Irrtum unterlegen, daß ein Gelehrter unbedingt auch ein Narr sei. An Debatten mit dem Fleischer war mein Vater zwar nie interessiert, um so mehr aber an guten Geldanlagen, und da war er ebenso beharrlich wie in seinen Studien. Also starb er zur allgemeinen Überraschung als reicher Mann.
    Als dies dann bekannt wurde, drohte mein ältester Bruder James zwar damit, daß er das Testament anfechten werde, doch das redete ihm Papas Anwalt, der ausgezeichnete Mr. Fletcher, ziemlich leicht aus. Dann kamen unzählige Nichten und Neffen, die in den Jahren vorher durch Abwesenheit geglänzt hatten; sie luden mich ein, doch bei ihnen zu wohnen, und warnten mich vor Mitgiftjägern.
    Warnungen waren unnötig. Mit meinen damals zweiunddreißig Jahren hatte ich noch nie einen Heiratsantrag erhalten und war eine alte Jungfer. Das wußte ich, doch es machte mir nichts aus. Auch über mein Aussehen machte ich mir noch nie Illusionen, ich bin ja schließlich kein Dummkopf.
    Gewisse Gentlemen und meine Verwandten ermunterte ich sogar noch zu Besuchen, weil sie mich amüsierten – bis ich bemerkte, daß ich zynisch wurde. Deshalb beschloß ich, auf Reisen zu gehen, denn das wollte ich schon immer tun, und vor allem jene Länder besuchen, mit denen sich Vater beschäftigt hatte, wie Griechenland, Rom, Babylon und das hunderttorige Theben.
    Als ich meinen Entschluß gefaßt hatte, brauchte ich nicht mehr viel Zeit für die Vorbereitungen. Mr. Fletcher machte mir schnell noch einen Heiratsantrag, den ich genauso humorig ablehnte, wie er vorgetragen worden war. »Ich dachte, es sei einen Versuch wert«, meinte er dazu trocken. »Miß Amelia«, fügte er hinzu, »ich frage Sie jetzt als Ihr Anwalt: Haben Sie die Absicht, jemals zu heiraten?«
    »Nein«, antwortete ich. »Grundsätzlich habe ich einiges gegen die Ehe. Für einige Frauen mag sie recht gut sein, denn was sollten diese armen Dinger sonst tun? Warum sollte sich aber eine unabhängige und intelligente Frauensperson den Launen eines tyrannischen Ehemannes unterwerfen? Ich

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