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Amelia Peabody 01: Im Schatten des Todes

Titel: Amelia Peabody 01: Im Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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ausdrücken.
    »Das genügt jetzt, Travers«, sagte ich. »Du kannst gehen. Aber mach die Tür ordentlich hinter dir zu.«
    Als wir allein waren, musterte ich meinen Schützling und war mit dem, was ich sah, durchaus zufrieden. Das Flanellnachthemd war viel zu groß für das zierliche Persönchen. Sie brauchte Kleider, und es mußten hübsche, nette Sachen sein, also von der Art, die ich nie hatte tragen können. In Blaßgrün, Rosa und Lavendel mußte sie entzückend aussehen. Wie hatte dieses Mädchen nur in einen so trostlosen Zustand geraten können? Sie bemerkte, daß ich sie musterte und senkte die Augen, doch dann sprach sie; ihre Stimme klang wie die einer wohlerzogenen jungen Dame, und die Worte verstand sie ausgezeichnet zu wählen.
    »Ich bin Ihnen zu unbeschreiblichem Dank verpflichtet, aber seien Sie versichert, Maiam, daß ich Ihr gutes Herz nicht ausnützen werde. Ich habe mich jetzt erholt. Wenn Sie Ihre Magd anweisen, mir meine Kleider zu bringen, werde ich Sie sofort von meiner Anwesenheit befreien.«
    »Ihre Kleider ließ ich wegwerfen«, antwortete ich. »Die Mühe des Waschens und Bügelns lohnte sich nicht mehr. Sie müssen sowieso bis morgen im Bett bleiben. Morgen lasse ich eine Näherin kommen. Am nächsten Freitag geht ein Schiff nach Alexandria. Eine Woche müßte genügen. Sie werden einiges einkaufen müssen. Wenn Sie mir sagen, wo Sie wohnen, lasse ich Ihre Sachen holen.«
    Ihr Gesicht drückte die verschiedensten Gefühle aus; erst Empörung, dann Mißtrauen, schließlich Entsetzen. Da sie mich nur offenen Mundes anstarrte, fuhr ich ziemlich ungeduldig fort: »Ich nehme Sie als Reisegefährtin mit nach Ägypten. Miß Pritchett wurde krank. Ihr wollte ich zehn Pfund jährlich bezahlen. Natürlich werde ich Sie für die Reise ausstatten. In einem Flanellnachthemd können Sie schließlich nicht auf Reisen gehen.«
    »Nein«, gab das Mädchen zu, »aber …«
    »Ich bin Amelia Peabody, eine alte Jungfer, unabhängig und reise zu meinem Vergnügen. Wollen Sie sonst noch etwas wissen?«
    »Nein, ich weiß alles«, antwortete das Mädchen ruhig. »Ich war nicht ganz ohnmächtig, als Sie zu meiner Rettung kamen, und erkenne Herzensgüte auf den ersten Blick. Aber, meine liebe Miß Peabody, Sie wissen nichts über mich. Ich könnte ja vielleicht … kriminell oder haltlos sein.«
    »Nein, nein«, wehrte ich ab. »Ich treffe zwar meine Entschlüsse sehr rasch, doch niemand kann mir Dummheit vorwerfen. Ich denke nur schneller und gründlicher als die meisten Leute und habe Menschenkenntnis.«
    Der Mund des Mädchens zitterte, und an einem Mundwinkel erschien ein Grübchen. »Ich bin nicht das, was Sie denken«, sagte sie leise, »doch ich bin Ihnen meine Geschichte schuldig. Habe ich sie erzählt, so werden Sie alles Recht haben, mich hinauszuwerfen.«
    »Na, dann fangen Sie an. Ich werde sie dann schon beurteilen.«
    Das Mädchen begann zu sprechen:
    »Ich bin Evelyn BartonForbes. Ich war noch ein kleines Kind, als meine Eltern starben, und aufgezogen wurde ich von meinem Großvater, dem Earl of Ellesmere. Sie scheinen den Namen zu kennen. Er ist alt und ehrenhaft. Mein Großvater wird von vielen als geizig gescholten, obwohl er sehr reich ist. Menschenfreund war er nie, doch mich behandelte er gütig. Er nannte mich immer sein Lämmchen. Vielleicht war ich das einzige menschliche Wesen, zu dem er je freundlich war. Er verzieh mir sogar, daß ich ein Mädchen und nicht der ersehnte männliche Erbe bin.
    Ich bin das einzige Kind des ältesten Sohnes meines Großvaters, kann aber Titel und Besitz nicht erben, weil ich ein Mädchen bin. Als mein Vater starb, war mein Vetter Lucas Hayes der nächste männliche Verwandte.
    Ich hatte Lucas immer gern, und er tat mir leid, weil Großvater immer so unfair zu ihm war. Er sagte, er möge Lucas wegen seiner ausschweifenden und zügellosen Gewohnheiten nicht, doch ich denke, hier handelt es sich vorwiegend um Gerüchte. Aber mein Vetter ist eben seines Vaters Sohn, und deshalb mag er ihn nicht. Großvaters älteste Tochter ging nämlich mit einem Italiener durch. Mein Großvater ist jedoch ein Brite bis auf die Knochen und mag besonders die romanischen Völker nicht. Er hält sie für gerissen, betrügerisch und falsch. Meine Tante ließ sich also vom Conte d’Imbroglio di Annunciata entführen. Großvater enterbte sie und tilgte ihren Namen aus der Familienbibel. Noch auf ihrem Totenbett wartete sie vergeblich auf ein Wort des Trostes und der Verzeihung.

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