Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
erkannte, daß meine Leiden belohnt worden waren. Wenn Emerson will, bewegt er sich so geschmeidig wie eine Katze; ermutigt davon, daß es mir anscheinend gefiel, bekam auch er allmählich Spaß an der Sache und tanzte endlich im Rhythmus der Musik. »Wirklich nicht schlecht«, wiederholte er. »Sie haben mir gesagt, es würde mir gefallen, wenn ich erst einmal den Dreh heraus hätte.«
»Sie?«
»Ramses und Nefret. Wie du weißt, haben sie im letzten Sommer Unterricht genommen; sie haben es mir beigebracht. Ich habe ihnen das Versprechen abgenommen, dir nichts zu verraten. Schließlich ist mir bekannt, welchen Spaß es dir macht. Und ich muß sagen, es ist ein größeres Vergnügen, als ich erwartet habe. Wahrscheinlich bist du es, die … Peabody? Weinst du? Verflixt, bin ich dir etwa auf die Zehen getreten?«
»Nein, mein Liebling.« Ich verstieß aufs schändlichste gegen die guten Sitten, als ich mich an ihn schmiegte und meine Tränen an seiner Schulter trocknete. »Ich weine, weil ich so gerührt bin. Wenn ich mir vorstelle, welches Opfer du für mich …«
»Angesichts dessen, welche Opfer du für mich gebracht und welchen Gefahren du dich meinetwegen gestellt hast, ist es noch viel zuwenig, meine liebe Peabody.«
Ich hörte seine Worte nur gedämpft, da seine Wange auf meinem Scheitel ruhte und er die Lippen an meine Schläfe preßte.
Viel zu spät fiel mir ein, daß wir uns ja in der Öffentlichkeit befanden, und ich rückte ein wenig von ihm ab.
»Die Leute schauen schon. Du hältst mich viel zu eng.«
»Nein, das stimmt nicht«, widersprach Emerson. »Du hast recht«, sagte ich und sank in seine Arme, ohne mich um die Blicke der anderen Gäste zu scheren. Seit Emerson »den Dreh heraus« hatte, durfte kein anderer Mann mehr mit mir Walzer tanzen. Ich wies sämtliche Herren ab, nicht nur, weil ich wußte, es würde ihm gefallen, sondern auch, weil ich die Verschnaufpausen zwischen den Tänzen bitter nötig hatte. Emerson tanzte Walzer, wie er sich auch jeder anderen Beschäftigung widmete: mit vollem Körpereinsatz. Und da er mich so heftig herumwirbelte, daß ich mehrmals den Boden unter den Füßen verlor, brauchte ich Zeit, um wieder zu Atem zu kommen.
In diesen Pausen hatte ich Gelegenheit, die übrigen Gäste zu beobachten. Das Studium der menschlichen Natur in all ihren Erscheinungsformen ist eine interessante Beschäftigung für einen klugen Menschen – und ein besseres Betätigungsfeld als das, welches sich mir heute bot, konnte es gar nicht geben.
Die Mode in jenem Jahr gefiel mir sehr gut, denn man hatte sich endlich von der übertrieben betonten Silhouette gelöst, welche die weibliche Gestalt bislang verunziert hatte (und später wieder verunzieren sollte). Die Röcke fielen – ohne Krinolinen und Gesäßpolster – elegant von der Taille ab; die Mieder waren nicht zu tief ausgeschnitten. Bei den älteren Damen war Schwarz sehr beliebt, doch der Satin schimmerte üppig, und die Spitzen an Hals und Ellenbogen waren fein wie Spinnweben. Juwelen blitzten, Perlen funkelten bleich auf dunklem Stoff; die Hälse der Damen waren schwanenweiß. Welch ein Jammer, so dachte ich, daß die Männer sich von den Vorgaben der Konvention derart einschränken ließen. In den meisten Kulturen, angefangen beim alten Ägypten bis hin in die jüngere Vergangenheit, putzten sich die Männer so prächtig heraus wie die Frauen und hatten angeblich genau wie diese ihre Freude an Juwelen und spitzenbesetzten Kleidungsstücken.
Die einzige Ausnahme in der männlichen Eintönigkeit machten die bunten Uniformen der ägyptischen Offiziere.
Allerdings war keiner dieser Herren wirklich Ägypter, denn die Armee stand – wie alle anderen Bereiche des Staates – unter britischer Aufsicht, und die Posten wurden von Engländern und Europäern bekleidet. Die Uniformen unserer eigenen Streitkräfte waren um einiges schlichter. An jenem Abend waren einige Angehörige der Armee anwesend. Ich bildete mir ein, in den jungen, vom Lachen geröteten Gesichtern mit den heldenhaften Schnurrbärten einen Anflug von Niedergeschlagenheit zu bemerken. Bald würden sich die Soldaten auf den Weg nach Südafrika machen, wo ein Krieg tobte. Und manche würden nie zurückkehren.
Mit einem Seufzer und einem gemurmelten Gebet (mehr hat eine schwache Frau in einer Welt, in der Männer das Schicksal der hilflosen Jugend bestimmen, nicht zu bieten) wandte ich mich erneut meinen Beobachtungen der menschlichen Natur zu. Alle, die nicht
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