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Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Titel: Amelie und die Liebe unterm Regenschirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Molden
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ihrer Fixkosten trugen die Produkte aus dem Elternhaus.
    Mit Hingabe brachte Amelie die hundert Hoch- und Deutschmeisterchen auf dem verspiegelten Boden der Auslage in Formation. Dann bürstete sie die Herbstlaubreste aus Augusts Fell, wischte seine glitzernden Glasknopfaugen mit einem weichen Lappen blank, knipste die grüne Schreibtischlampe an, holte Der Meister und Margarita aus der Schreibtischlade und begann zu lesen. Als sie merkte, dass die Buchstaben vor ihren Augen tanzten und sie den Sinn der Worte nicht erfasste, ließ sie das Buch sinken.
    ›Hoppla. Nicht behütet und schlecht beschirmt. Bis auf weiteres ist dieser Schirm wieder ein Schirm. Es war mir ein Vergnügen.‹ Quasi aus dem Off hörte sie die lachende Stimme des Unbekannten. Seit sie in den Mann hineingerannt war, seit drei Tagen, hörte sie dies immer wieder. Sie überlegte, ob sie den Laden über Mittag zusperren sollte, um im Bundeskanzleramt nach dem Hinkenden zu fragen. Wer weiß, vielleicht meinte es der Zufall gut mit ihr und er hinkte auch heute über den Ballhausplatz. Sie würde sein Gesicht sehen…
    Die Tür zur Josefstadt stand offen, die Luft war lau, nichts und niemand störte die in ihre Gedanken verstrickte Amelie, bis zunächst der Briefträger um 11.15 Uhr erschien, ihre Post auf den Schreibtisch legte und ihr das Neueste aus dem Viertel berichtete. Das renovierte Restaurant oben an der Ecke werde noch in dieser Woche aufsperren, die Frau des Irakers sei mit einem vier Kilo schweren Buben niedergekommen, und die wunderbare Grünzeughandlung in der Langegasse, die beste der Stadt, habe Meraner Kurtrauben von einer Güte, die in ganz Wien ihresgleichen suche. Amelie und der Briefträger waren sich einig wie stets: Was für ein Vorzug es doch sei, just im achten Wiener Gemeindebezirk, der Josefstadt, zu siedeln. Ereignislos, friedlich, keine Morde, keine Überfälle, keine Einbrüche…
    Um exakt 11.30 Uhr betrat der Wirkliche Hofrat das Geschäft. »Küss die Hand, meine Gnädigste.« Er beugte sich über Amelies schmale Finger mit den kurzgeschnittenen Nägeln, ohne dieselben mit seinen Lippen zu berühren. Dann sah er ihr ins Gesicht. »Schön wie der junge Morgen.« Er sagte immer das Gleiche, aber so, als hätte er die Erkenntnis eben gewonnen, was seinen Worten das Floskelhafte nahm.
    Amelie mochte den Wirklichen Hofrat und schenkte ihm ihr Lächeln, von dem sie wusste, dass es einen besonderen Zauber besaß, das sie jedoch nicht nach Belieben aufsetzen konnte, denn es kam nur aufgrund einer ehrlichen Empfindung zustande. Sie fand, dass Julius Hofeneder ein angenehmer Mensch und für seine siebzig ein immer noch attraktiver Mann war.
    Warum der Hofrat nie geheiratet habe, hatte sie ihren Vater einmal gefragt. »Weil er sich das gar nicht leisten könnte«, hatte Josef Lenz scherzend geantwortet. »Der gibt, was er hat, für seine Zinnsoldaten aus.« Ein Vermögen stecke in Hofeneders Sammlung, die er im Übrigen testamentarisch dem Heeresgeschichtlichen Museum vermacht habe. Was im Hinblick auf die martialische Herkunft des Hofrats durchaus Sinn mache.
    Schon der Urgroßvater des Zinnsoldaten-Narrs hatte die militärische Laufbahn eingeschlagen. Im Range eines Oberstleutnants hatte er unter dem genialen Strategen Graf Radetzky 1848 bei Custoza gekämpft und gesiegt und den alten Feldmarschall fortan wie einen Heiligen verehrt. Auch der Großvater des Wirklichen Hofrats war Offizier geworden. Er hatte sich bei der Okkupation von Bosnien und der Herzegowina derart ausgezeichnet, dass Seine Majestät geruhte, ihn in den Adelsstand zu erheben. Er und seine Nachkommen durften vor dem schlichten Hofeneder in Hinkunft das bekömmliche von tragen. Der frisch gebackene Ritter hatte von seinem Vater die Radetzky-Verehrung übernommen und sie seinerseits an Sohn beziehungsweise Enkel weitergegeben. Julius ritt als Kleinkind nicht wie andere Kleinkinder zu Hoppa hoppa Reiter, wenn er fällt, so schreit er , sondern ausschließlich zur gepfiffenen Melodie des Radetzky-Marsches auf den väterlichen beziehungsweise großväterlichen Knien. Wie von einem Hofeneder nicht anders zu erwarten, war auch Julius’ Vater in die Armee eingetreten, wechselte aber nach einer im Ersten Weltkrieg erlittenen schweren Verwundung in den niederösterreichischen Landesdienst. Eine Karriere, die Julius quasi in Erbpacht fortsetzte. Die Verehrung der Hofeneders für den volkstümlichen Feldmarschall Radetzky sei, so Amelies Vater, im Wirklichen Hofrat

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