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Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Titel: Amelie und die Liebe unterm Regenschirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Molden
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bereits genetisch fixiert gewesen.
    »Reizend, meine Liebe, dass Sie meiner Kompanie die Ehre erwiesen haben.« Hofeneder deutete auf die Hoch- und Deutschmeister, die Amelie nun sorgfältig aus der Auslage nahm, einen um den anderen, um sie in eine eigene von der Offizine Lenz mitgelieferte Spanschachtel zu betten.
    »Woran arbeiten Sie derzeit, Herr Hofrat?« Amelie wusste von ihrem Vater, dass Hofeneder in seiner geräumigen Altbauwohnung die bedeutenden Siege Radetzkys, beginnend mit den Schlachten von Marengo und Hohenlinden 1800 über die Völkerschlacht bei Leipzig 1813 bis zu Custoza 1848 und Novara 1849, feldzugsplanmäßig nachgestellt hatte. Jahre hatte es ihn gekostet, und als Spiel hatte er es nie betrachtet, weshalb Amelies Frage keineswegs ironisch gemeint war.
    »Ich schwanke noch«, antwortete der Wirkliche ernsthaft, »Radetzky scheint mir erschöpft. Ich denke an Königgrätz.«
    »Ojegerl, das wird aber düster, da haben wir doch verloren«, meinte Amelie und zog ihre helle, immer noch kinderglatte Stirn kraus. Sie war in Geschichte nicht beschlagen und hätte in Bezug auf jede andere Schlacht den Mund gehalten, aber dass die k.u.k. Armee bei Königgrätz eine schauderhafte Niederlage hatte einstecken müssen, wusste in Österreich jedes Kind.
    »Von Ihnen, Verehrteste, ließe ich mich jederzeit umstimmen.« Hofeneder suchte Amelies Augen, deren tiefes Violett ihn stets aufs Neue fesselte. »Kommen Sie doch endlich einmal bei mir vorbei, ich würde Ihnen von Herzen gern meine Schlachten zeigen. Sie haben es mir schon oft versprochen…«
    »…und nie gehalten, ich weiß, Herr Hofrat«, sagte Amelie und lächelte eine Entschuldigung. »Wenn mein Vater wieder nach Wien kommt und Sie aufsucht, werde ich ihn begleiten.« Sie überreichte ihm die mittlerweile in mehrere Lagen Seidenpapier verpackte Spanschachtel.
    »Darf ich meine Schuld begleichen?« Der Hofrat tat den gewissen Griff in die Innentasche seines Sakkos.
    »Bitte nicht«, wehrte Amelie ab, »ich schicke Ihnen die Rechnung zu.« Geld entgegenzunehmen war ihr stets peinlich – dumme Kuh, aber so bin ich halt – rechtfertigte sie diese für eine Geschäftsfrau ungewöhnliche Macke vor sich selbst. Überdies war ihr die Vorstellung, größere Summen oder Schecks in ihrer kleinen grünen Handkassa zu wissen, nicht ganz geheuer. Die Josefstadt mochte noch so friedlich sein – wer konnte wissen, ob die einsame Spielzeughändlerin nicht doch von einem Räuber belauert wurde.
    Amelie sah dem Hofrat nach, der sich mit Handkuss verabschiedet hatte und eben mit seiner sorglich im Arm geborgenen Schachtel Zinnsoldaten um die Ecke verschwand. »Wir sind vom k.u.k. Infanterieregiment/ Hoch- und Deutschmeister/ Numero vier, aber stier« – summte sie den alten Wiener Gassenhauer vor sich hin. Sie starrte in die leere Auslage und setzte, von plötzlicher Unruhe gepackt, ohne zu überlegen, die kürzlich aus einem Nachlass erworbene und noch nicht restaurierte Puppenküche eher lieblos ins Fenster. Ist eh egal. Es tut sich ja eh nichts. Keine Kundschaft außer dem Hofrat, kein Anruf, kein Räuber… und draußen geht nicht einmal der Wind, dachte sie bei sich.
    Neben der Tür zum Hof hing ein schmaler Spiegel. Amelie trat davor und sah hinein, ohne sich zu betrachten. Mechanisch strich sie die dunklen Fransen aus der Stirn. Als sie die Hände wegnahm, schwang das Haar wieder zurück. Dreiunddreißig, bald werde ich dreiunddreißig und bin noch immer ohne Ziel. Sie dachte nicht darüber nach, was sie sich damit sagen wollte, und wandte ihrem Spiegelbild den Rücken.
    Ein Trupp Schulkinder bog, von der lauten Josefstädterstraße kommend, in die stille Gasse mit Amelies Spielzeuggeschäft ein. Die Kinder blieben regelmäßig vor der Auslage stehen, weil man ja nie wissen konnte, was an Augusts Stelle mittags im Schaufenster sein würde. Sie blieben auch heute stehen, pressten ihre Nasen und schmierigen Hände an die Scheibe, kommentierten die Puppenstube, aber ihr Interesse erlahmte schnell, sie trabten weiter.
    »Fratzen«, murmelte Amelie, ging mit Glasreiniger und Putzlappen nach draußen, um die Scheibe zu reinigen und fragte sich, was mit ihr los war. Ihre Unrast wuchs. »Verheerend, wie ich mir auf die Nerven falle.« Sie ging ans Telefon und rief in Salzburg an. »Hallo, Mutter…«
    »Servus, Kind, kannst du später anrufen, ich hab die Suppe am Herd, die kocht über.« Lizzi Lenz wartete die Antwort ihrer Tochter nicht ab und hängte

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