Amerika
nicht einmal so gut verrichte wie die, und daß mich die Frau Oberköchin nur aus Mitleid in meiner Stellung hält. Schließlich muß man ja wirklich eine bessere Schulbildung gehabt haben, um Sekretärin zu
werden. Es ist eine Sünde, das zu sagen, aber oft und oft fürchte ich, wahnsinnig zu werden. Um Gottes willen«, sagte sie plötzlich viel schneller und griff flüchtig nach Karls Schulter, da er die Hände unter der Decke hielt, »Sie dürfen aber der Frau Oberköchin kein Wort davon sagen, sonst bin ich wirklich
verloren. Wenn ich ihr außer den Umständen, die ich ihr durch meine Arbeit mache, auch noch Leid bereiten sollte, das wäre wirklich das Höchste.«
»Es ist selbstverständlich, daß ich ihr nichts sagen werde«, antwortete Karl.
»Dann ist es gut«, sagte sie, »und bleiben Sie hier. Ich wäre froh, wenn Sie hierblieben, und wir könnten, wenn es Ihnen recht ist, zusammenhalten. Gleich, wie ich Sie zum erstenmal gesehen habe, habe ich Vertrauen zu Ihnen gehabt. Und
trotzdem – denken Sie, so schlecht bin ich – habe ich auch Angst gehabt, die Frau Oberköchin könnte Sie an meiner Stelle zum Sekretär machen und mich entlassen. Erst wie ich da lange allein gesessen bin, während Sie unten im Büro waren, habe ich mir die Sache so zurechtgelegt, daß es sogar sehr gut wäre, wenn Sie meine Arbeiten übernähmen, denn die würden Sie sicher besser verstehen. Wenn Sie die Besorgungen in der Stadt nicht machen wollten, könnte ich ja diese Arbeit behalten. Sonst aber wäre ich in der Küche gewiß viel nützlicher, besonders da ich auch schon etwas stärker geworden bin.«
»Die Sache ist schon geordnet«, sagte Karl, »ich werde
Liftjunge und Sie bleiben Sekretärin. Wenn Sie aber der Frau Oberköchin nur die geringste Andeutung von Ihren Plänen
machen, verrate ich auch das übrige, was Sie mir heute gesagt haben, so leid es mir tun würde.«
Diese Tonart erregte Therese so sehr, daß sie sich beim Bett niederwarf und wimmernd das Gesicht ins Bettzeug drückte.
»Ich verrate ja nichts«, sagte Karl, »aber Sie dürfen auch nichts sagen.«
Nun konnte er nicht mehr ganz unter seiner Decke versteckt bleiben, streichelte ein wenig ihren Arm, fand nichts Rechtes, was er ihr sagen könne, und dachte nur, daß hier ein bitteres Leben sei. Endlich beruhigte sie sich wenigstens so weit, daß sie sich ihres Weinens schämte, sah Karl dankbar an, redete ihm zu, morgen lange zu schlafen, und versprach, wenn sie Zeit fände, gegen acht Uhr heraufzukommen und ihn zu wecken.
»Sie wecken ja so geschickt«, sagte Karl.
»Ja, einiges kann ich«, sagte sie, fuhr mit der Hand zum
Abschied sanft über seine Decke hin und lief in ihr Zimmer.
Am nächsten Tag bestand Karl darauf, gleich seinen Dienst anzutreten, obwohl ihm die Oberköchin diesen Tag für die
Besichtigung von Ramses freigeben wollte. Aber Karl erklärte offen, dafür werde sich noch Gelegenheit finden, jetzt sei es für ihn das Wichtigste, mit der Arbeit anzufangen, denn eine auf ein anderes Ziel gerichtete Arbeit habe er schon in Europa nutzlos abgebrochen und fange als Liftjunge in einem Alter an, in dem wenigstens die tüchtigeren Jungen nahe daran seien, in
natürlicher Folge eine höhere Arbeit zu übernehmen. Es sei ganz richtig, daß er als Liftjunge anfange, aber ebenso richtig sei, daß er sich besonders beeilen müsse. Bei diesen Umständen würde ihm die Besichtigung der Stadt gar kein Vergnügen machen.
Nicht einmal zu einem kurzen Weg, zu dem ihn Therese
aufforderte, konnte er sich entschließen. Immer schwebte ihm der Gedanke vor Augen, es könne schließlich mit ihm, wenn er nicht fleißig sei, so weit kommen wie mit Delamarche und
Robinson.
Beim Hotelschneider wurde ihm die Liftjungenuniform
ausprobiert, die äußerlich sehr prächtig mit Goldknöpfen und Goldschnüren ausgestattet war, bei deren Anziehen es Karl aber doch ein wenig schauderte, denn besonders unter den Achseln war das Röckchen kalt, hart und dabei unaustrockbar naß von dem Schweiß der Liftjungen, die es vor ihm getragen hatten. Die Uniform mußte auch vor allem über der Brust eigens für Karl erweitert werden, denn keine der zehn vorliegenden wollte auch nur beiläufig passen. Trotz dieser Näharbeit, die hier notwendig war, und obwohl der Meister sehr peinlich schien – zweimal flog die bereits abgelieferte Uniform aus seiner Hand in die Werkstatt zurück –, war alles in kaum fünf Minuten erledigt, und Karl verließ das Atelier schon als
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