Amerika
Liftjungen muß man teuflisch aufpassen. Nein, nein, in diesem Falle kann ich Ihnen den Gefallen nicht tun, so sehr ich es mir immer
angelegen sein lasse, Ihnen gefällig zu sein. Und wenn ich ihn schon trotz allem hier ließe, zu keinem anderen Zweck, als um meine Galle in Tätigkeit zu erhalten, Ihretwegen, ja, Ihretwegen, Frau Oberköchin, kann er nicht hierbleiben. Sie nehmen einen Anteil an ihm, den er durchaus nicht verdient, und da ich nicht nur ihn kenne, sondern auch Sie, weiß ich, daß das zu den schwersten Enttäuschungen für Sie führen müßte, die ich Ihnen um jeden Preis ersparen will. Ich sage das ganz offen, obwohl der verstockte Junge ein paar Schritte vor mir steht. Er wird entlassen, nein, nein, Frau Oberköchin, er wird vollständig entlassen, nein, nein, er wird zu keiner anderen Arbeit versetzt, er ist vollständig unbrauchbar. Übrigens laufen ja auch sonst Beschwerden gegen ihn ein. Der Oberportier zum Beispiel, ja also, was denn, Feodor, ja, Feodor beklagt sich über die
Unhöflichkeit und Frechheit dieses Jungen. Wie, das soll nicht genügen? Ja, liebe Frau Oberköchin, Sie verleugnen wegen
dieses Jungen Ihren Charakter. Nein, so dürfen Sie mir nicht zusetzen.«
In diesem Augenblick beugte sich der Portier zum Ohr des
Oberkellners und flüsterte etwas. Der Oberkellner sah ihn zuerst erstaunt an und redete dann so rasch in das Telephon, daß Karl ihn anfangs nicht ganz genau verstand und auf den Fußspitzen zwei Schritte näher trat.
»Liebe Frau Oberköchin«, hieß es, »aufrichtig gesagt, ich hätte nicht geglaubt, daß Sie eine so schlechte
Menschenkennerin sind. Eben erfahre ich etwas über Ihren
Engelsjungen, was Ihre Meinung über ihn gründlich ändern wird, und es tut mir fast leid, daß gerade ich es Ihnen sagen muß.
Dieser feine Junge also, den Sie ein Muster von Anstand nennen, läßt keine dienstfreie Nacht vergehen, ohne in die Stadt zu laufen, aus der er erst am Morgen wiederkommt. Ja, ja, Frau Oberköchin, das ist durch Zeugen bewiesen, durch einwandfreie Zeugen, ja. Können Sie mir nun vielleicht sagen, wo er das Geld zu diesen Lustbarkeiten hernimmt? Wie er die Aufmerksamkeit für seinen Dienst behalten soll? Und wollen Sie vielleicht auch noch, daß ich Ihnen beschreiben soll, was er in der Stadt treibt?
Diesen Jungen loszuwerden will ich mich aber ganz besonders beeilen. Und Sie, bitte, nehmen das als Mahnung, wie vorsichtig man gegen hergelaufene Burschen sein soll.«
»Aber, Herr Oberkellner«, rief nun Karl, förmlich erleichtert durch den großen Irrtum, der hier unterlaufen schien und der vielleicht am ehesten dazu führen konnte, daß sich alles noch unerwartet besserte, »da liegt bestimmt eine Verwechslung vor.
Ich glaube, der Herr Oberportier hat Ihnen gesagt, daß ich jede Nacht weggehe. Das ist aber durchaus nicht richtig, ich bin vielmehr jede Nacht im Schlafsaal, das können alle Jungens bestätigen. Wenn ich nicht schlafe, lerne ich kaufmännische Korrespondenz, aber aus dem Schlafsaal rühre ich mich keine Nacht. Das ist ja leicht zu beweisen. Der Herr Oberportier verwechselt mich offenbar mit jemand anderem, und jetzt
verstehe ich auch, warum er glaubt, daß ich ihn nicht grüße.«
»Wirst du sofort schweigen«, schrie der Oberportier und
schüttelte die Faust, wo andere einen Finger bewegt hätten.
»Ich soll dich mit jemand anderem verwechseln! Ja, dann kann ich nicht mehr Oberportier sein, wenn ich die Leute verwechsle.
Hören Sie nur, Herr Isbary, dann kann ich nicht mehr
Oberportier sein, nun ja, wenn ich die Leute verwechsle. In meinen dreißig Dienstjahren ist mir allerdings noch keine Verwechslung passiert, wie mir hunderte von Herren
Oberkellnern, die wir seit jener Zeit hatten, bestätigen müssen, aber bei dir, miserabler Junge, soll ich mit den Verwechslungen angefangen haben. Bei dir, mit deiner auffallenden, glatten Fratze. Was gibt es da zu verwechseln! Du könntest jede Nacht hinter meinem Rücken in die Stadt gelaufen sein, und ich
bestätige bloß nach deinem Gesicht, daß du ein ausgegorener Lump bist.«
»Laß, Feodor!« sagte der Oberkellner, dessen telephonisches Gespräch mit der Oberköchin plötzlich abgebrochen worden zu sein schien. »Die Sache ist ja ganz einfach. Auf seine
Unterhaltungen in der Nacht kommt es in erster Reihe gar nicht an. Er möchte ja vielleicht vor seinem Abschied noch irgendeine große Untersuchung über seine Nachtbeschäftigung verursachen wollen. Ich kann mir schon vorstellen,
Weitere Kostenlose Bücher