Amerika
daß ihm das gefallen würde. Es würden womöglich alle vierzig Liftjungen heraufzitiert und als Zeugen einvernommen, die würden ihn natürlich auch alle verwechselt haben, es müßte also zur Zeugenschaft
allmählich das ganze Personal heran, der Hotelbetrieb würde natürlich auf ein Weilchen eingestellt, und wenn er dann
schließlich doch hinausgeworfen würde, so hätte er doch
wenigstens seinen Spaß gehabt. Also das machen wir lieber nicht. Die Oberköchin, diese gute Frau, hat er schon zum Narren gehalten, und damit soll es genug sein. Ich will nichts weiter hören; du bist wegen Dienstversäumnis auf der Stelle aus dem Dienst entlassen. Da gebe ich dir eine Anweisung an die Kasse, daß dir dein Lohn bis zum heutigen Tage ausgezahlt werde. Das ist übrigens bei deinem Verhalten – unter uns gesagt – einfach ein Geschenk, das ich dir nur aus Rücksicht auf die Frau
Oberköchin mache.«
Ein telephonischer Anruf hielt den Oberkellner ab, die
Anweisung sofort zu unterschreiben.
»Die Liftjungen geben mir aber heute zu schaffen!« rief er schon nach Anhören der ersten Worte.
»Das ist ja unerhört!« rief er nach einem Weilchen. Und vom Telephon weg wandte er sich zum Hotelportier und sagte:
»Bitte, Feodor, halt mal diesen Burschen ein wenig, wir werden noch mit ihm zu reden haben.« Und ins Telephon gab er den Befehl: »Komm sofort herauf!«
Nun konnte sich der Oberportier wenigstens austoben, was
ihm beim Reden nicht hatte gelingen wollen. Er hielt Karl oben am Arm fest, aber nicht etwa mit ruhigem Griff, der schließlich auszuhalten gewesen wäre, sondern er lockerte hie und da den Griff und machte ihn dann mit Steigerung fester und fester, was bei seinen großen Körperkräften gar nicht aufzuhören schien und ein Dunkel vor Karls Augen verursachte. Aber er hielt Karl nicht nur, sondern als hätte er auch den Befehl bekommen, ihn
gleichzeitig zu strecken, zog er ihn auch hie und da in die Höhe und schüttelte ihn, wobei er immer wieder halb fragend zum Oberkellner sagte: »Ob ich ihn jetzt nur nicht verwechsle, ob ich ihn jetzt nur nicht verwechsle.«
Es war eine Erlösung für Karl, als der oberste der Liftjungen, ein gewisser Beß, ein ewig fauchender, dicker Junge eintrat, und die Aufmerksamkeit des Oberportiers ein wenig auf sich lenkte.
Karl war so ermattet, daß er kaum grüßte, als er zu seinem Erstaunen hinter dem Jungen Therese, leichenblaß, unordentlich angezogen, mit lose aufgesteckten Haaren, hereinschlüpfen sah.
Im Augenblick war sie bei ihm und flüsterte: »Weiß es schon die Oberköchin?«
»Der Oberkellner hat es ihr telephoniert«, antwortete Karl.
»Dann ist es schon gut, dann ist es schon gut«, sagte sie rasch, mit lebhaften Augen.
»Nein«, sagte Karl. »Du weißt ja nicht, was sie gegen mich haben. Ich muß weg, die Oberköchin ist davon auch schon
überzeugt. Bitte, bleib nicht hier, geh hinauf, ich werde mich dann von dir verabschieden kommen.«
»Aber, Roßmann, was fällt dir denn ein, du wirst schön bei uns bleiben, solange es dir gefällt. Der Oberkellner macht ja alles, was die Oberköchin will, er liebt sie ja, ich habe es letzthin erfahren. Da sei nur ruhig.«
»Bitte, Therese, geh jetzt weg. Ich kann mich nicht so gut verteidigen, wenn du hier bist. Und ich muß mich genau
verteidigen, weil Lügen gegen mich vorgebracht werden. Je besser ich aber aufpassen und mich verteidigen kann, desto mehr Hoffnung ist, daß ich bleibe. Also, Therese-« Leider konnte er in einem plötzlichen Schmerz nicht unterlassen, leise
hinzuzufügen: »Wenn mich nur dieser Oberportier losließe! Ich wußte gar nicht, daß er mein Feind ist. Aber wie er mich
immerfort drückt und zieht.« ›Warum sage ich das nur!‹ dachte er gleichzeitig, ›kein Frauenzimmer kann das ruhig anhören‹, und tatsächlich wandte sich Therese, ohne daß er sie noch mit der freien Hand hätte davon abhalten können, an den
Oberportier: »Herr Oberportier, bitte, lassen Sie doch sofort den Roßmann frei. Sie machen ihm ja Schmerzen. Die Frau
Oberköchin wird gleich persönlich kommen, und dann wird man schon sehen, daß ihm in allem Unrecht geschieht. Lassen Sie ihn los; was kann es Ihnen denn für ein Vergnügen machen, ihn zu quälen!« Und sie griff sogar nach des Oberportiers Hand.
»Befehl, kleines Fräulein, Befehl«, sagte der Oberportier und zog mit der freien Hand Therese freundlich an sich, während er mit der anderen Karl nun sogar angestrengt drückte, als wolle er ihm
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