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Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht

Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht

Titel: Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Weigerung, die Realitäten der eigenen Position anzuerkennen.
    Darin lag Holt Fasners größte Stärke – und vielleicht seine einzige Schwäche.

 
MIN
     
     
    Keine zwei Stunden nach Warden Dios’ Videokonferenz mit dem Erd- und Kosmos-Regierungskonzil flog Min Donner, gelegentlich seine ›Henkerin‹ genannt, in einem VMKP-Shuttle vom VMKP-HQ hinunter zur Erde; hinab zu einer Insel namens Suka Bator im Archipel der Allianz der Asiatischen Inseln und Halbinseln, wo das EKRK den ausgedehnten Komplex von Anlagen errichtet hatte, von dem aus es die Menschheit zu regieren und zu schützen meinte.
    Die Computerlogbücher und Deklarationen des Shuttles verzeichneten nicht, daß sich die Direktorin der Operativen Abteilung der VMKP an Bord befand. Sie stand lediglich auf der Liste eines Teams von Datensachbearbeitern und Rechtsexperten, die Dios dem EKRK schickte, um die in der Videokonferenz gemachten Enthüllungen mit Informationsmaterial zu erhellen – beziehungsweise zu verdunkeln. Niemand meldete ihre Ankunft; niemand holte sie ab. VMKP-Mitarbeiter, die sich zur Unterstützung des EKRK-Schutzdienstes auf der Insel aufhielten, erkannten sie allem Anschein nach nicht; wenigstens reagierten sie nicht auf ihren Anblick. Statt dessen winkte man sie so achtlos wie den Rest der Abordnung durch die Abfertigungsschalter und Kontrollposten.
    Natürlich gab es auch keine Veranlassung zu erhöhter Vorsicht. Von der Sekunde an, als das Shuttle vom VMKP-HQ ablegte, bis zum Augenblick der Landung auf Suka Bator war es ununterbrochen in der Erfassung der Radarstationen gewesen. Das EKRK hatte vielerlei Sorgen, aber nicht die Besorgnis, daß vom VMKP-HQ irgendwelche Übeltäter kommen könnten. Attacken gegen die Autorität des EKRK sowie handfeste Anschläge auf das Konzil fanden nicht seitens der Polizeikräfte statt, sondern durch politische Randgruppen der Erde; die Urheber waren Libertarier, die etwas gegen die Hegemonie der VMK und VMKP hatten, Genophoben mit ausgeprägter Gegnerschaft gegen alle Kontakte zu den Amnion, Pazifisten mit ihrer Ablehnung der ›Militarisierung‹ des Kosmos, oder Transnationale Terratreue, die gegen die Abhängigkeit der Erde vom Weltraum opponierten. Im Namen ihrer Überzeugungen war jede dieser und anderer Gruppen zum Terrorismus fähig. Die VMKP scheute keine Mühe, um den EKRK-Schutzdienst dabei zu unterstützen, Gewalt von der Insel fernzuhalten.
    Abgesehen von ihrem herrischen Auftreten und dem gespannten Allzeitbereit ihrer Bewegungen hatte kein Wächter oder Funktionär irgendeinen Grund, um für Min Donner einen zweiten Blick zu erübrigen.
    Daß man sie auf Suka Bator kannte, verstand sich allerdings von selbst. Jeder Konzilsdeputierte und ein Großteil ihres Personals hätten sofort gewußt, wer sie war; aber Min gab ihnen dazu gar keine Gelegenheit. Aus dem Foyer des Gebäudes, in dem die Konzilsdeputierten ihre Büros hatten, betrat sie eine Treppe, die zu einem Notausgang hinaufführte und die deshalb buchstäblich nie irgend jemand benutzte. Dank ihres Codes passierte sie Türen, deren Öffnen normalerweise Alarm hätte auslösen müssen.
    Wenn es sich einrichten ließ, beabsichtigte sie den Besuch auf Suka Bator in vollständiger Geheimhaltung durchzuführen.
    Ganz gleich, wie tief Warden Dios’ Einlassungen sie erschüttert hatten, sie bewahrte ihm die Treue. Dieselbe Entschiedenheit, mit der sie auf nahezu fanatische Weise die Tadellosigkeit der OA sicherte, sie frei von den Fragwürdigkeiten zu halten, die der Abteilung Datenakquisition wie Gestank anhafteten, erlaubte es ihr, die persönlichen Weisungen des Polizeipräsidenten möglichst einwandfrei zu befolgen. Das alte Gebot, das schon in früheren Zeiten die Polizeiorganisationen der menschlichen Gesellschaft hatte leiten sollen – das Anliegen, ›Freund und Helfer‹ zu sein –, war nirgendwo in ihren Dienstpapieren schriftlich fixiert: es war ihr ins Blut geschrieben.
    Keineswegs war sie über alle Zweifel erhaben; am wenigsten jetzt, da der ganze Charakter der Organisation, der sie ihr Leben gewidmet hatte, in Frage stand. Aber sie wußte mit der Klarheit unverfälschter Überzeugung, daß Zweifeln und Handeln füreinander grundsätzlich irrelevant blieben.
    Sie fühlte sich nicht für Dios’ Integrität verantwortlich, und ebensowenig für die Reputation der VMKP. Ihre Verantwortung betraf sich selbst und die OA. Und da hatte sie den Freiraum ihres Handelns: die Gelegenheit, sich schlicht und einfach voll und

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