Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
Teil an Thermopyle abzureagieren.
Allerdings nicht hier; nicht in der Nähe des VMKP-HQ; nicht solange die Polente beobachten konnten, was an Bord der Posaune geschah. Milos war eine Zeitlang zu warten bereit. Mindestens bis das Raumschiff vom Typ Interspatium-Scout – über das Milos sehr wenig wußte, das Thermopyle hingegen in- und auswendig kannte – in die Tard zurückgefallen war, das Hyperspatium durchquert hatte.
Also ließ er sich durch die derben Schmähungen, mit denen Thermopyle ihn beinahe ununterbrochen überhäufte, nicht provozieren. Zudem wußte er, daß die Beleidigungen auf nicht mehr als hilfloses Schäumen und Geifern hinausliefen; sie waren kaum etwas anderes als ein fast nebensächlicher Ausfluß der Bosheit, die fortwährend in Thermopyle kochte. Thermopyle schenkte seinem Begleiter keine wirkliche Beachtung. Alle wichtigen Aspekte seines cyborgisierten Geists konzentrierten sich auf sein neues Raumschiff; aufs Erfühlen der in seine Hand gegebenen Energie; auf die Kenntnisnahme selbst jeder noch so geringfügigen Information, die seine Datenspeicher über es enthielten. Und darauf, sich auszumalen, was er mit dem Raumschiff leisten konnte.
Nein, auf mehr als bloßes Ausmalen: er ertastete das Leistungsvermögen, fühlte sich mit Leib und Seele hinein. Milos hatte schon genug Bösartigkeit in Thermopyles Augen gesehen, um sich sein Lebtag lang davor zu gruseln. Er hatte den Eindruck, daß nur er, er allein – jedenfalls nicht Hashi Lebwohl oder Warden Dios –, das volle Ausmaß der Gehässigkeit einzuschätzen verstand, die in Thermopyle siedete und brodelte. Er durchschaute, wie Angus Thermopyle innerlich von Haß strotzte. Aber noch nie hatte er etwas gesehen wie den Ausdruck zutiefst ruchloser Freude, der im Gesicht des Cyborgs glänzte, während er sich mit der Posaune vertraut machte. Beim Betätigen der Kontrollen und Betrachten der Sichtschirme wirkte Thermopyle, als hätte er einen Orgasmus.
Scheiße. Scheiße noch mal.
Sobald die Posaune das Hyperspatium verlassen hatte, gedachte Milos seine Macht über den vermeintlichen ›Kapitän‹ unverzüglich und mit aller Härte zu nutzen. Fast so sehr, wie er zu überleben wünschte, wollte er diesen Ausdruck abstoßender Ekstase von Thermopyles Visage fegen.
Aber nicht jetzt; noch nicht. Statt sich durch Thermopyles Häme zur Unbesonnenheit verführen zu lassen, befaßte er sich mit der eigenen Kontrollkonsole, orientierte sich daran so rasch, wie seine kurze, hauptsächlich theoretische Unterweisung in den Funktionen dieses Raumschiffs es ihm in der Praxis erlaubte.
Mit der Schadensanalyse hatte er keine Probleme; die meisten Bordsysteme arbeiteten automatisch und gaben laufend Meldung. Die Datenverarbeitung unterschied sich kaum von der Computertätigkeit, die er als Stellvertretender Leiter des Stationssicherheitsdienstes der KombiMontan-Station jahrelang ausgeübt hatte. Und aus naheliegenden Gründen, über die er jedoch immer Verschwiegenheit gewahrt hatte, wußte er längst alles über Kommunikation, was er darüber je an Wissen brauchte. Eine andere Sache war allerdings das Scanning. Er hatte noch nie mit Dopplersensoren oder Partikelanalysatoren gearbeitet, ebensowenig mit… Was war das für ein Ding? Ein Dimensionalstreß-Indikatiometer? Er verstand die Informationen, die sie bereitstellten, nur auf die oberflächlichste Weise.
Aber keine seiner ›Aufgaben‹ hatte irgendeinen Einfluß auf das eigentliche Fliegen des Raumschiffs. Das war ein zweites Problem. Kommandoposition, Steuerung, Bordwaffen, Antrieb, auch Lebenserhaltungssysteme und allgemeine Wartung: alle befanden sich unter Angus Thermopyles Kontrolle. Theoretisch wie praktisch hing Milos’ Überleben von seiner Fähigkeit ab, Angus Thermopyle unter seine Gewalt zu zwingen.
»Sind Sie fertig?« fragte Thermopyle. Seine Stimme klang so unbekümmert destruktiv wie das Mahlen einer Erzmühle. »In ein paar Minuten sind wir in der beschissenen privaten Tach-Übersprungszone der Astro-Schnäpper. Ich will nicht, daß Sie in die Hose machen, wenn wir in die Tach wechseln. So ein Gestank ist mir verhaßt. Es stinkt schon schlimm genug, bloß weil Sie an Bord sind.«
»Na und?« erwiderte Milos halblaut, ohne die Aufmerksamkeit von seinen Anzeigen zu wenden. »Sie hassen alles und jeden.« Er verabscheute und fürchtete schon die bloße Tonlage von Thermopyles Stimme; doch es hatte grundsätzliche Bedeutung, dem Halunken klarzumachen, daß er ihn, Milos, nicht
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