Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
auf dem Wege der EA.«
Grimmig musterte sie den Kassierer. »Ich habe keinen Begriff davon, wo bei alldem eigentlich die Amnion stehen. Aber ich weiß ebensowenig, wo man sonst nach Antworten suchen sollte.«
Der Kassierer zwinkerte sie an. Für einen Moment spiegelte sein längliches Gesicht tiefste Resignation wider.
»Dann sind wir alle erledigt«, sagte er leise.
Ich nicht, knirschte Sorus bei sich. Wenn du glaubst, ich bleibe auf sinkendem Schiff bei dir, mußt du bescheuert sein.
»Läßt du nach Taverner und Thermopyle fahnden?« erkundigte sie sich, um ihren stummen Schwur zu kaschieren.
»Selbstverständlich«, beteuerte der Kassierer weinerlich wie ein kleiner Junge. »Natürlich. Das Aufsichtspersonal hat Anweisung, sie zu melden, aber unbehelligt zu lassen.« Er schluckte so krampfhaft, daß sein Adamsapfel hüpfte. »Nur für den Fall, daß die Amnion in die Sache verwickelt sind. Ich möchte der Stillen Horizont keinen Vorwand für ’n ›chirurgischen Schlag‹ bieten.«
»Und wo hält Succorso sich gegenwärtig auf?« fragte Sorus.
Der Kassierer schnaubte. »Du wirst vor Staunen baff sein. Er ist in der Posaune. Gott weiß wieso, aber er befindet sich allein an Bord. Er hat sich von hier direkt an Bord der Posaune verzogen. Anscheinend ist ihm von Kapitän Thermopyle der Zugangscode überlassen worden.«
Sorus spürte in der Magengrube ein Druckgefühl, als drohte ihr starke Übelkeit. An Bord der Posaune, dachte sie erbittert. Das paßt vollständig zusammen. Weshalb ist mir das nicht gleich eingefallen? Doch sie war am Ende dessen angelangt, was sie ertragen konnte, ohne etwas zu unternehmen. Wenn der Kassierer lediglich hier herumzustehen und zu jammern beabsichtigte, während rings um ihn alles vor die Hunde ging, dann ohne sie.
Sie gab sich einen Ruck, drehte sich um, verließ den Lichtkreis und strebte durch die Düsternis des Panzergewölbes zum Ausgang.
»Gib der Leitzentrale Bescheid«, sagte sie unterwegs über die Schulter, »daß ich ablege.«
»Nein, das wirst du nicht.« Auf einmal gemahnte der Tonfall des Kassierers an das Gleitgeräusch einer Schlange. Seine Furcht war verebbt, überstanden. »Nicht wenn du mir verschweigst, wohin du willst. Und warum?«
Sorus wandte sich ihm zu. »Ich habe vor, uns ein paar Antworten zu besorgen. Als erstes manövriere ich die Sturmvogel in Schußweite der Stillen Horizont, nur um die Amnion daran zu erinnern, daß sie auch etwas zu verlieren haben. Und dann traktiere ich sie mit Fragen, bis ich Anlaß sehe, ihren Auskünften zu glauben.«
In der konzentrierten Helligkeit der Beleuchtung leuchtete der Kassierer wie ein Märtyrer in den Flammen eines Scheiterhaufens. Als er endlich antwortete, klang seine Stimme unheilvoll wie bei einem Fanatiker.
»Gut.«
Das Wort bedeutete sowohl einen Befehl wie auch eine Drohung.
Bevor Sorus sich abwenden konnte, läutete erneut der Interkom-Apparat.
Der Kassierer betätigte die EIN-Taste. »Wir haben Milos Taverner in der Überwachung, Chef«, meldete sofort der Diensthabende des Kommandokomplexes.
Am Ausgang des Panzergewölbes die Hand am Türgriff, verharrte Sorus Chatelaine.
»Wo?« blaffte der Kassierer.
Diesmal zögerte der Diensthabende. »Gerade hat er die Posaune verlassen. Ich weiß, an sich« – das wiederum fügte er überhastet hinzu – »ist es unmöglich. Ich kann es mir nicht erklären. Aber er muß die ganze Zeit hindurch an Bord gewesen sein.«
Der Kassierer blickte Sorus an, als erbettelte er ihre Hilfe.
»Und dort ist auch Succorso«, konstatierte sie so schneidend scharf wie ein Laser-Schweißbrenner.
Mit dem Handballen schlug sich der Kassierer auf die Stirn. Man hätte meinen können, er wollte auf diese Weise sein Gehirn zurechtrücken. »Wohin geht er?« fragte er dann den Kommandokomplex.
Der Interkom-Apparat verlieh der Stimme des Diensthabenden eine leicht ausdruckslose, metallische Tonlage. »Allem Anschein nach zur Amnion-Sektion, Chef.« Ein kurzes Schweigen schloß sich an. »Sollen wir ihn aufhalten?« fragte der Mann.
»Nein!« stieß der Kassierer nahezu konvulsivisch hervor. »Lassen Sie ihn in Ruhe. Wo die Amnion beteiligt sind, können wir nicht einschätzen, um was es sich dreht. Es kann sein, daß es mit uns nichts zu tun hat.«
Urplötzlich brach er in ein Geschrei des Zorns und der Verstörung aus. »Aber verlieren Sie ihn ja nicht wieder aus der Beobachtung! Wenn er nicht auf direktem Weg zu den Amnion geht, dann greifen Sie ihn auf!«
Schon
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