Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
einzuräumen. Sie befolgen keinen Befehl, das Schiff von der Energieversorgung abzuschneiden, bevor er herausgefunden hat, was da vor sich geht, und die Priorität widerrufen worden ist.«
Sein Data-Nukleus verlangte nicht zu erwähnen, daß er alles für die Aktion Erforderliche erst innerhalb der vergangenen halben Stunde erledigt hatte; oder daß die Maßnahme leicht mißlingen konnte. Falls die Codes falsch waren, oder falls die Leitzentrale sie schon identifiziert hatte…
Vector Shaheed pfiff durch die Zähne.
»Ist er zu so was fähig?« fragte Ciro Vasaczk in bangem Tonfall den Bordtechniker. »Ich meine, kennt er echt ’ne Möglichkeit, um die Computer des Kassierers auszutricksen?«
»Zum Diskutieren haben wir keine Zeit«, schnauzte Angus. Jede Sekunde, die verstrich, steigerte seine ohnehin schon lebhafte Unruhe, erhöhte den Handlungsdruck, unter den seine Programmierung ihn setzte. »Wenn Sie sich nicht endlich beeilen, erfahren Sie nie, wozu ich fähig oder nicht fähig bin.«
Auf dem Absatz drehte er sich den übrigen Mitgliedern des Trupps zu.
»Davies, du gehst mit den beiden. Sorg dafür, daß ihnen nichts zustößt. Sobald ihr auf Abstand seid, gib’s mir durch. Wir andern zischen ab.«
Er sah die Unsicherheit in Davies’ Augen, die Skepsis in Nick Succorsos Miene. Mikka Vasaczk betrachtete ihn düsteren Blicks. Sib Mackerns Furcht war so offen wie sein Mund. Aber Angus ignorierte sie allesamt: er hatte keine Zeit mehr. Er faßte seine Materiekanone fester und aktivierte am Brustteil seines EA-Anzugs die Lenkdüsenkontrollen. Im Vertrauen auf Thanatos Minors geringe Schwerkraft, seine verstärkten Gelenke und darauf, daß die in seinem Data-Nukleus gespeicherten Informationen ihm auch künftig den Hals retteten, sprang er in weitem Satz vom Rumpf der Posaune.
Als wäre er darin ausgebildet worden, ruckten seine Hüften nach oben. Sofort zündeten die Düsen und bremsten seinen Fall hinab auf den Beton. Er kam nahezu federleicht mit den Füßen auf und torkelte einige Schritte vorwärts, dann wandte er sich um, überzeugte sich davon, daß die anderen ihm folgten.
»Angus!« zeterte Davies. Die überhöhte Lautstärke schmerzte in Angus’ Gehör. »Sie ist meine Mutter! Sie ist alles, was ich habe!«
Angus gab keine Antwort. Ihn beherrschten Grausen und vorprogrammierte Anforderungen.
Wie zuvor Angus vollführte auch Succorso einen Sprung vom Schiffsrumpf. Er bediente die Lenkdüsen ungeschickt, fand sich jedoch gut genug damit zurecht, um wohlbehalten unten anzulangen.
Mikka Vasaczk schüttelte den Kopf. Sie riß Sib Mackern den für Morn bestimmten EA-Anzug aus der Hand und warf ihn Angus zu. Dann strebte sie zu einer Aufreihung von Null-G-Steigeisen, die den Rumpf der Posaune umrundeten, und stieg daran nach unten.
Angus fing den Anzug auf; er durfte nicht riskieren, daß er eine Beschädigung erlitt. Morn würde ihn nötig haben.
Oder vielleicht nicht.
Oder womöglich gelang es ihm überhaupt nicht, zu ihr vorzudringen.
Mit zusammengebissenen Zähnen zwang er sich zum Warten, bis Mikka Vasaczk und Sib Mackern die Betonfläche betraten. Dann drückte er Makkern den zusätzlichen EA-Anzug wieder in die Hand und lief eilends los.
Dank der niedrigen G fiel das Rennen leicht, kostete nur wenig Anstrengung. Drei Kilometer waren zu weit, doch daran ließ sich nichts ändern: die Amnion-Sektion lag, wo sie nun einmal lag. In Wahrheit wußte Angus selbst nicht, weshalb er es so eilig hatte. Mit Sicherheit lauerte dort Taverner auf ihn – und Taverner kannte die Befehlscodes. Trotzdem rannte er, obwohl weder sein Interncomputer noch das Joch der Z-Implantate es von ihm forderten.
Er rannte, weil er ein Feigling war; dringender alles alles andere wollte er ans Ende seiner Furcht gelangen.
Über die Schulter sah er, wie sich Vector Shaheed, Ciro Vasaczk und Davies ihrem Bestimmungsort näherten. Hinter ihnen entrollte sich das Kabel, hob sich als schwarzer Strich vom grellweißen Beton ab. Sicherlich wußte Shaheed, wie er es an der Trichterantenne zu befestigen hatte; so kompetent mußte Nick Succorsos Bordtechniker ja wohl sein. Angus jedenfalls hätte es im Schlaf erledigen können.
Ein Echo von Sib Mackerns mühseligem Keuchen hallte in Angus’ Raumhelm wider. Mikka Vasaczks grimmig-entschlossener, gleichmäßiger Laufschritt erweckte den Eindruck, als könnte sie ihn stundenlang beibehalten. Mackern jedoch hatte einfach zuviel Angst; er bewegte sich fort, als umschlänge das
Weitere Kostenlose Bücher