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Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht

Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht

Titel: Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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warten.«
    Min Donners Achselzucken antwortete: Einerlei.
    »Nicht doch, keineswegs«, pfiff es in umgänglichem Ton aus den Stimmritzen des DA-Direktors. »In der Gegenwart einer Frau, die so reizend wie Ihre Sekretärin ist, kann für mein Empfinden von Warterei wirklich keine Rede sein.«
    »Um so besser.« Warden deutete auf zwei Sessel. »Nehmen Sie Platz«, sagte er auf eine Weise, die er bei Godsen Frik unterließ.
    Die Direktorin der Operativen Abteilung setzte sich in den Sessel, als ob sie sich zu einer Sprungfeder einrollte, hielte sie sich allzeit bereit zum Emporschnellen.
    Lebwohl hatte, vielleicht um die Bedeutsamkeit der Zusammenkunft zu unterstreichen, über eine dreckig-fleckige Hose und ein ekelhaft gammeliges Hemd seinen schmutzigsten Laborkittel gezogen. In diesem Aufzug hatte er, zumal bei seiner dürren Erscheinung, Ähnlichkeit mit einer Vogelscheuche. Von seinen uralten Schuhen baumelten die ausgefransten Schnürsenkel und drohten ihn bei jedem Schritt zum Stolpern zu bringen. Seine auf die Spitze der dünnen Nase herabgerutschte Brille war dermaßen verkratzt und verschmiert, daß man unwillkürlich meinte, sie machte ihm die Sicht völlig verschwommen; aber wahrscheinlich trübte sie eher das, was andere Leute sahen, wenn sie ihn anblickten. Sämtliche Bewegungen, ja seine gesamte Haltung, beinahe alles an ihm, schien Schläfrigkeit widerzuspiegeln; die nachgerade grenzenlosen Kräfte, die sein Äußeres verbarg, fanden ihren Ausdruck nur im resoluten Strich der Brauen und der strahlenden Klarheit seiner blauen Augen. Als er sich in den Sessel sacken ließ, wirkte er wie ein Penner, den nur noch die Freifahrt zum Krematorium erwartete. Doch Warden Dios wußte es besser. Auf seine Art – die den schroffsten Gegensatz zu Min Donners Selbstverständnis abgab – hielt auch Hashi Lebwohl sich immerzu für alles parat und auf dem Sprung, blieb er bereit zu allem, außer vorbereitet auf den Tod.
    Noch immer erklärte Warden nicht, was denn ›nun passieren‹ sollte. Obwohl nur Hashi Lebwohl eingeweiht war, wußte nicht allein er, sondern auch Min Donner schon Bescheid; Godsen Frik durfte ruhig noch ein Weilchen lang schwitzen. Dios schaute auf die Tischuhr: zwölf Minuten Frist. Immer hatte er zuwenig Zeit; voraussichtlich jedoch genügten zwölf Minuten. Falls nicht, konnte er jederzeit eine kurze Funkstörung vortäuschen.
    »So…« Der Reihe nach musterte er seine Untergebenen, scannte ihre Emanationen, ähnlich wie ein Handwerker den Zustand seiner Werkzeuge prüfte. Aus tiefster Überzeugung lehnte er es ganz grundsätzlich ab, Menschen nur zu benutzen; weder als Werkzeuge noch als genetisches Rohmaterial. Diese Einstellung erklärte mehr als jeder sonstige Aspekt seiner Persönlichkeit, warum er Polizist geworden war; die Tatsache, daß sein persönliches Dilemma ihn dazu zwang, so vieles zu tun, was er in Wahrheit als abscheulich beurteilte, verursachte ihm einen kurzen Moment des Widerwillens. Aber man merkte ihm nichts an. Längst hatte er die Kunst vervollkommnet, die ärgsten Konsequenzen des Widerspruchs zwischen dem, was er sich wünschte, und dem, was er tat, allein auszubaden.
    »Die Posaune ist abgeflogen«, konstatierte er so sachlich und bedächtig, als könnte ihm niemand in die Karten schauen. »Von jetzt an sind Thermopyle und Taverner wohl oder übel auf sich selbst angewiesen. Ihnen allen ist bekannt, daß wir in der heikelsten Situation stecken, die wir uns je zugemutet haben. Noch nie haben wir mit so riskanter Ausschließlichkeit auf Leute gesetzt, die sich so weit aus unserem Einflußbereich entfernen. Und nie vorher hat soviel von unserer Fähigkeit abgehangen, unser Vorgehen geheimzuhalten. Deshalb ist es meines Erachtens nun an der Zeit, um uns völlige Klarheit zu verschaffen.« Warden machte diese Äußerung, obwohl er selbst nicht die mindeste Absicht hegte, zu dieser Klarheit beizutragen. »Falls Sie nach wie vor gegen die Aktion Bedenken haben, Sie meinen, sie sei verfehlt oder müsse mißlingen, oder Sie glauben, ich hätte den Schwierigkeitsgrad unterschätzt, dann möchte ich, daß Sie sich nun offen und ehrlich aussprechen.«
    Godsen Frik sah sich erneut seine Hände an. Hashi Lebwohl lächelte in die Runde, als wären Bedenken oder Einwände ihm gänzlich fremd.
    Min Donner hingegen zögerte nicht. »Wozu jetzt noch diese Umstände?« hielt sie Dios unverblümt vor. »Wie gesagt, die Posaune ist unterwegs. Selbst wenn wir die Möglichkeit hätten,

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