Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
zudringliche Würdigkeit dienten als effektive Fassade für seine Pläne und Gelüste; doch um das Gefühl des Gehetztseins und seine bedrückte Stimmung zu verheimlichen, taugten sie nicht. Mit seinem von weißem Haar umwallten Patriarchenhaupt, durch das er gewöhnlich wie der Inbegriff des ›älteren Staatsmanns‹ daherkam, ähnelte er jetzt einem gealterten Bauernlümmel, den man bei einem besonders anstößigen Akt der Sodomie ertappt hatte.
Ihn in dieser Verfassung zu sehen, verursachte Warden Dios wieder einmal ein kleines Aufwallen der Befriedigung.
Indessen änderte sich deshalb gar nichts. Dank der Augenprothese konnte er Godsen Frik jederzeit durchschauen. Auch in dieser Beziehung unterschied Frik sich von den anderen Direktoren. Hashi Lebwohl hätte Hochverrat am gesamten Universum verüben können, ohne daß durch Dios’ Infrarot-Blick darauf auch nur der kleinste Hinweis enthüllt worden wäre; nicht jedoch, weil man Lebwohl hätte nachsagen dürfen, eine geborene Verräternatur zu sein, sondern weil es bei ihm keine wesentliche Trennung zwischen den vielerlei verschiedenen Ebenen seiner Janusköpfigkeit gab. Und Min Donners geballtes, leidenschaftliches Engagement zeichnete sich durch immanente Aufrichtigkeit aus. Godsen Frik dagegen verriet sich durch zu offensichtliche physiologische Anzeichen, als daß Warden Dios sie zu übersehen imstande gewesen wäre: jede Absicht, jede gemischte Motivation, jede Unehrlichkeit offenbarte sich in der Schnelligkeit seines Herzschlags, der Schweißtemperatur, der Kirlian-Aura seiner Haut.
Warden Dios wußte, daß er jedesmal, wenn er sich mit dem RÖA-Direktor abgab, auf Konsequenzen gefaßt zu sein hatte, deren Spektrum sich von Friks einfältigem Obstruktionismus bis hin zu aktiver Intervention seitens Holt Fasners erstreckte.
Darin lag eine echte Bürde. Aber da Warden damit rechnete, stellte er sich im voraus darauf ein; zog es ins Kalkül.
»Kommen Sie rein«, forderte er Frik unnötigerweise auf. »Setzen Sie sich.« Weil er Frik nicht ausstehen konnte, behandelte er ihn stets voller Rücksichtnahme und mit ausgesuchter Höflichkeit.
Allem Anschein nach hatte Godsen Frik keine Ahnung von der Abneigung seines Chefs. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, zeigten die Indikatoren der Überwachungsapparaturen an, daß die Geräte außer Betrieb waren, eilte er zu Wardens Schreibtisch und schwang zum demonstrativen Zeichen der Selbstsicherheit eine Arschbacke auf die Tischkante. »Ich habe getan, was Sie wollten«, sagte er. »Jetzt kriege ich den ganzen Segen von oben ab.«
Er bemühte sich vergeblich; seine Stimme klang zu verpreßt, als daß ihm die gewohnten, sonoren Laute ausgeprägten Selbstbewußtseins gelungen wären.
Warden spreizte die Hände zu einer Gebärde der Ratlosigkeit. »Ich vermute, Sie haben nicht daran gedacht, daß Sie sich überhaupt nicht mit ihm rumärgern müssen, oder? Sie dürfen ihn doch jederzeit mir überlassen.«
In diesem Zusammenhang konnte mit ›ihm‹ nur Holt Fasner gemeint sein.
Dummerweise fiel es Godsen Frik absolut nicht schwer, sich zwischen seinen unterschiedlichen Verpflichtungen zu entscheiden. »Sie wissen, daß ich mich unmöglich so verhalten kann«, erwiderte er gereizt, aber ohne die Spur des Bedauerns. »Schon deswegen, weil nicht Sie mich an meinen Posten gestellt haben, sondern er es getan hat. Er sagt, daß er mit mir besondere Pläne verfolgt. Sie können nicht erwarten, daß ich darüber hinwegsehe. Und außerdem ist hier niemand tätig, kein Mann, keine Frau – ja keine Maus, verdammt noch mal –, der es sich leisten kann, den Tauben zu spielen, wenn er etwas will.«
Letztere Behauptung entsprach durchaus nicht den Tatsachen. Weder Min Donner noch Hashi Lebwohl ’erkannten irgendeine Autorität außerhalb des VMKP-HQ an. Trotzdem glaubte Frik, was er soeben geäußert hatte; soviel war völlig offenkundig.
Warden widerstand der Versuchung, ihm zu entgegnen: Ich habe auch meine Pläne mit Ihnen. »Und was hat er gesagt?« erkundigte er sich statt dessen.
»Er hat gekeift: ›Heiliger Radiostern, sind Sie etwa vom Affen gebissen, daß Sie Thermopyles und Taverners Flucht in die ganze Welt hinausposaunen?‹« Frik war ein hervorragender Stimmenimitator. »›Wissen Sie nicht, was nun passieren wird?!‹«
»Und was haben Sie darauf geantwortet?«
»Ich habe ihm mitgeteilt, daß die Bekanntgabe in Erfüllung Ihres direkten Befehls erfolgt ist.« Krampfhafte Anspannung und tiefe
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