Amnion 5: Heute sterben alle Götter
gleichfalls nur für eine Herde dämlicher Schafe. Diese Leute waren ohne weiteres dazu imstande, seine überlegene Kenntnis der VMKP und seine genialen Fähigkeiten zu mißachten, irgendeine einfältige Galionsfigur mit Dios’ Autorität und Macht auszustatten.
Und eben deshalb war er ganz persönlich und höchst erbittert wütend auf Warden Dios und Hashi Lebwohl. Ihre kürzliche Videokonferenz mit dem Regierungskonzil hatte für seine Bestrebungen einen schweren Rückschlag bedeutet. Sein Vorgehen machte es erforderlich, wenn es der Umsetzung seiner Pläne dienen sollte, daß er die Beweise des Amtsmißbrauchs und der Veruntreuung widerspenstigen Gegenspielern abrang, die nach Kräften mauerten. Es untergrub die Wichtigkeit, die gesamte Dimension seines Untersuchungsauftrags, wenn seine Gegner alle Beschuldigungen freimütig einräumten. So etwas verzweifelte ihn. Er persönlich beabsichtigte den VMKP-Polizeipräsidenten vom Sockel zu stürzen; es nutzte ihm nichts, wenn er zusehen durfte, wie Warden Dios sich schlichtweg selbst den Ast absägte.
Als er, obschon nur indirekt, aus dem Büro des EKRK-Vorsitzenden Len die Nachricht erhielt, daß die Amnion sich zu einer Kriegshandlung hatten hinreißen lassen, war es seine erste Verrichtung gewesen, Cleatus Fane anzurufen. Eine solche Kontaktaufnahme mochte verfrüht sein, doch verlangte die besondere Krisensituation das Eingehen eines erhöhten Risikos. Sein Vorhaben war gewesen, Holt Fasners Geschäftsrührendem Obermanagementdirektor zuzusichern, alles zu tun, was im Rahmen seiner mittlerweile recht beachtlichen Möglichkeiten stand, um auf der angekündigten EKRK-Krisensitzung die Reputation des VMK-GD zu wahren.
Zu seiner tiefen Konsternierung hatte Fane es jedoch abgelehnt, mit ihm zu telefonieren. Er wäre zu beschäftigt, sagte eine Sekretärin des GOD; unter diesen Umständen hätte der Sonderbevollmächtigte gewiß Verständnis. Mit anderen Worten, Fane schätzte Maxim Igensard als zu unwichtig ein, um in der gegenwärtigen Situation für ihn Aufmerksamkeit zu erübrigen.
Verbittert zog Maxim Erkundigungen bei der EKRK-Kommunikationsabteilung ein, um die Wahrheit herauszufinden. Dabei stellte es sich jedoch als Tatsache heraus, daß Cleatus Fane sich stark betätigte; der GOD hatte praktisch jede in den Orbit vorhandene Funkfrequenz, die nicht vom EKRK-Schutzdienst reserviert worden war, für sich belegt: Der Kommunikationsabteilung zufolge emittierte er ›genügend Mikrowellen, um Sonnenflecken zu verursachen‹.
Maxim brauchte nicht erst zu fragen, mit wem Fane in so lebhaftem Kontakt stand. Die Antwort lag auf der Hand. Mit der VMK-Generaldirektion. Holt Fasner.
Ungeachtet der ›Umstände‹ hatte Sonderbevollmächtigter Maxim Igensard keine Neigung, sich herabzuwürdigen, indem er seine Gedanken einer kleinen Sekretärin anvertraute. Vielmehr machte er sich, während unter seinem nahezu eigenschaftslosen Äußeren eine Stinkwut wie Magma brodelte, auf den Weg zu Abrim Len.
Der EKRK-Vorsitzende war von gänzlich anderem Schlag als GOD Fane, ein dermaßen zuvorkommender und leicht beeinflußbarer Mensch, daß es fast gerechtfertigt wirkte, ihm jeden eigenen Charakter abzusprechen. »Kann das nicht warten, Sonderbevollmächtigter?« fragte er halblaut und in grämlichem Ton, während er Maxim in die mit seinem Büro verbundene Dienstwohnung einließ. »Eigentlich habe ich keine Zeit. Mein Interkom-Apparat blinkt wie eine Achterbahn. Anscheinend möchte ausgerechnet heute jeder Bürger seinen gewählten Parlamentsvertreter anrufen, Gott weiß warum, die Medienhaie haben doch von allem noch gar nichts mitgekriegt. Gerade habe ich mit Tel Burnish geredet« – dem Konzilsdelegierten des Kosmo-Industriezentrums Valdor –, »für den eine Menge mehr auf dem Spiel steht als für uns alle, aber ich wußte nicht, was ich ihm sagen sollte, ich konnte nur wiederholen, was von Warden Dios zu erfahren war, und bei den Vorbereitungen für die Krisensitzung bin ich auch noch nicht. Haben Sie eine Ahnung, was so eine Krisensitzung an Vorbereitungen erfordert? Mehr als ich leisten kann, das dürfen Sie mir glauben. Wir hatten noch nie eine Krisensitzung. Wenigstens nicht, seit ich Vorsitzender bin. Seit Kapitän Vertigus’ Erstkontakt mit den Amnion nicht mehr. Es wird alles übel enden, Sonderbevollmächtigter. Merken Sie sich, was ich sage. Wir stecken in einer ernsten Klemme.« Er beendete seinen Monolog, indem er am Anfang wiederanknüpfte. »An sich fehlt
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