Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Leuten wecken. Falls Igensard Sie vor dem Regierungskonzil darauf anspricht, dürfen Sie es ihm ruhig sagen.«
»Aber ich verstehe noch immer nicht…« Koina biß sich auf die Lippe. »Egal. Für die Einzelheiten kann ich mich später interessieren. Die aktuelle Situation hat Vorrang.«
Der Polizeipräsident nickte, als verübte er einen brutalen Akt. »Ich habe die Rächer in den Kombi-Montan-Astertidengürtel gesandt«, setzte er seine Darlegungen fort, »damit sie dort die Rückkunft der Posaune im Human-Kosmos abwartet. Von da aus ist sie dem Interspatium-Scout ins Massif-5-System gefolgt. Weshalb die Posaune ausgerechnet das dortige Sonnensystem angeflogen hat, darüber habe ich keine Informationen. Aber sollten die Amnion genau an diesem Zeitpunkt den Beschluß gefaßt haben, aus Gründen, die nicht mit der Posaune zusammenhängen, durch einen Vorstoß ins Valdor-System eine kriegerische Handlung zu begehen, müßten wir darin den größten Zufall der Weltgeschichte sehen. Meines Erachtens können wir vollkommen sicher sein, daß die sogenannte Defensiveinheit hinter der Posaune her ist.«
Hashi Lebwohl spürte die Spannung, die im Konferenzzimmer herrschte. Sicherheitschef Mandich zeigte Betroffenheit unter dem Sorgendruck zu hoher Verantwortung. Koina Hannish rang darum, das Ausmaß ihrer Uninformiertheit zu überblicken. Warden Dios wirkte wie ein Mann, der wild entschlossen war, das Zentrum eines Wirbelwinds zu bändigen. Gleichzeitig grübelte der DA-Direktor insgeheim an einem ganzen Füllhorn unklarer Sachverhalte und verwirrender Eventualitäten. Eine kriegerische Handlung? Faszinierend. Wer hatte diese Wende angezettelt? Warden Dios? Nick Succorso? Die Amnion? Mit oder ohne Kapitän Succorsos Komplizenschaft?
Schwingungen des Ungewissen durchströmten Hashi Lebwohl wie Ekstase, woben Unbekannte aus der Quantenmechanik des Bekannten. »Es ließe sich anführen«, wagte er in seiner Exaltiertheit anzumerken, »wir könnten gut beraten sein, dieser Defensiveinheit gegen die Posaune vollen Erfolg zu wünschen.«
Holt Fasner hieße diese Einstellung auf alle Fälle gut.
Koina Hannish schnappte hörbar nach Luft. Unterdrückt stieß Sicherheitschef Mandich einen Fluch aus.
Sofort heftete Warden Dios den Blick auf Hashi Lebwohl. Fast konnte er fühlen, wie seine bioelektrische Aura dank der eindringlichen IR-Durchforschung seitens des Polizeipräsidenten zu knistern anfing.
»Das müssen Sie mir erklären«, forderte Warden Dios ihn auf.
Hashi hob die Schultern und lächelte. Das Risiko, das er einging, amüsierte ihn: So verlockte er unter Umständen Dios dazu, einiges mehr von seinen Intentionen aufzudecken. Falls er sich zu weit vorwagte, bestand für den Polizeipräsidenten immer noch die Möglichkeit, ihn in die Schranken zu weisen.
Obwohl er seine Worte vordergründig an Hannish und Mandich richtete, betrafen seine Antwort und das auf sich genommene Wagnis eigentlich Warden Dios. »Direktorin Hannish und Sicherheitschef Mandich sind vielleicht nicht darüber unterrichtet, daß unser Isaak beziehungsweise Josua alias Angus Thermopyle dem Bannkosmos mit einigen bemerkenswerten Begleitern entronnen ist. Damit meine ich besonders Morn Hyland, die erst Kapitän Thermopyles Opfer war, dann Kapitän Succorsos. Aufgrund mehrerer Erwägungen ist diese Tatsache als unerwartete Wende zu bewerten. Auf Ihre direkte und ausdrückliche Anweisung, Polizeipräsident Dios, wurde in Isaaks Data-Nukleus explizit eine Rettung von Leutnantin Hylands Leben verneint.« Danach hatte Dios den Data-Nukleus jedoch gegen einen anderen ausgetauscht, der gänzlich neue Instruktionen umfaßte; aber dieses Geheimnis offenzulegen oder zu wahren, war Dios’ Sache, Lebwohl hatte nicht vor, es zu enthüllen. Er machte die Äußerung nur, um den Polizeipräsidenten unter Druck zu setzen. »Leider muß nämlich Leutnantin Hyland – oder mußte – für unsere Absichten als Gefahrenquelle eingestuft werden. Ausschließlich eine seltsame, unvorhergesehene Kette von Ereignissen kann zu ihrer Anwesenheit an Bord der Posaune geführt haben.«
»Für welche ›Absichten?‹« fragte Koina Hannish schnell und mit Nachdruck.
Hashi Lebwohl mißachtete die Zwischenfrage und konzentrierte alle Aufmerksamkeit auf Warden Dios.
»Überdies besteht Grund zu dem Verdacht«, fügte Hashi hinzu, »daß sie Gefangene der Amnion gewesen ist, ihnen überlassen worden – aus Motiven, die wir uns schwerlich denken können – von Kapitän
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