Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Patrouille im Gebiet um Terminus, der am weitesten vom Bannkosmos entfernten Raumstation der Menschheit, und der veraltete Kreuzer Abenteurer war dazu abkommandiert worden, bei Übungen der Kadetten der Raumfahrtakademie Aleph Grün als Supervisor zur Verfügung zu stehen.
Natürlich waren andere Raumschiffe abkömmlich. Hashi Lebwohl fielen auf Anhieb ein halbes Dutzend Kosmo-Interzeptoren und leichter Kreuzer im unmittelbaren Umraum der Erde ein. Allerdings gaben sie für die Verteidigung eines gesamten Planeten eine allzu schwache Streitmacht ab.
Das VMKP-HQ konnte diese Aufgabe nicht erfüllen. Die Abwehranlagen der Raumstation eigneten sich mit knapper Not zum Selbstschutz. Sie hatte Partikelkollektoren und andere Formen der Abschirmung, ferner Artillerie verschiedenen Typs, nichts jedoch, das in einem Konflikt solchen Maßstabs wirksam einsetzbar gewesen wäre. Jeder Krieg, dessen Verlauf sich so dicht an die Erde verlagerte, daß er das VMKP-HQ gefährdete, war vermutlich schon verloren.
»Aber ich möchte unsere Streitkräfte«, ergänzte Warden Dios seine Erläuterungen, »andernorts nicht zu sehr ausdünnen – schließlich sind wir ohnehin schwach genug –, solang ich nicht weiß, was die Amnion als nächstes anstellen. Unter strategischen Gesichtspunkten ist das Valdor-System nicht unbedingt das logische Ziel einer durchdachten Kriegsführung.«
Wahrhaftig nicht. Hashi Lebwohl vollzog, obwohl er sich gleichzeitig eigene Gedanken machte, die Überlegungen des VMKP-Polizeipräsidenten nach. Nicht einmal die totale Vernichtung des Kosmo-Industriezentrums Valdor könnte die Verteidigungsfähigkeit der Menschheit nachhaltig beeinträchtigen, jedenfalls nicht auf kurze Sicht. Zudem verfügte die Station über zu starken Schutz und war navigatorisch zu schwierig zu erreichen, als daß ein einzelner Angreifer des Erfolgs sicher sein dürfte. Jeder Angriff auf das Valdor-Industriezentrum mochte sich rasch als Fehlschlag erweisen.
»Ich muß davon ausgehen«, erklärte Warden Dios, »daß weiteres bedrohliches Verhalten der Amnion ebensowenig logische Züge haben könnte, ich meine, nach strategischen Regeln. Da die Amnion offenbar weder zu Sinnlosigkeiten noch zur Übergeschnapptheit neigen, muß ich gleichfalls unterstellen, daß dieses vertragswidrige Eindringen in den Human-Kosmos keinen Großangriff auf die Menschheit bedeutet. Es verfolgt einen anderen Zweck. Ich kann mir denken, welchen, aber ich weiß nicht, wo der Brennpunkt des Geschehens sein wird. Deshalb ist mir momentan nicht klar, wo ich unsere Kräfte konzentrieren soll…«
Mittlerweile hatte Koina Hannish zu lange geschwiegen. Nun drängte die Beunruhigung sie endlich doch zum Sprechen.
»Bitte weihen Sie uns in die Sachlage ein, Polizeipräsident Dios«, verlangte sie mit leiser Stimme. »Ich glaube, wir müssen Bescheid wissen.«
»Das will ich wohl meinen«, schnob Dios. Doch offenkundig richtete sich sein Sarkasmus oder Unmut nicht gegen sie.
»Ihnen allen ist bekannt, daß Min Donner an Bord der Rächer ist«, konstatierte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Und wahrscheinlich haben Sie längst erraten, daß Sie von mir den Befehl erhalten hat, die Posaune zu schützen…«
»Nein, halt«, unterbrach Koina Hannish ihn, »entschuldigen Sie, aber jetzt überfordern Sie mich. Ich weiß über die Posaune nicht mehr als das, was Sie und Direktor Lebwohl dem Regierungskonzil mitgeteilt haben. Daß sie von Angus Thermopyle und Milos Taverner gekapert wurde…«
»Nein, ich muß mich entschuldigen«, fiel Warden Dios nun seinerseits ihr ins Wort. Für einen Moment erregte er den Eindruck, als müßte seine Müdigkeit ihn überwältigen. Seine Fassade hatte Risse, die er sich eigentlich nicht leisten konnte. »Es liegt an diesen verdammt vielen Geheimnissen. Ich trage sie schon zu lange mit mir herum.« Kurz rieb er sich mit den Fingern die Stirn. »Manchmal übersehe ich, daß ich Sie über dies oder jenes Entscheidende noch gar nicht informiert habe… Angus Thermopyle hat die Posaune nicht gekapert. Er ist ein Cyborg. Nach der Überstellung von der Kombinats-Montan-Station an uns ist er unifiziert worden. Er arbeitet für uns. Wir haben ihn zu einer verdeckten Aktion gegen die Schwarzwerft Kassafort in den Bannkosmos geschickt. Und Milos Taverner mußte ihn begleiten, um ein Auge auf ihn zu behalten. Die Geschichte, sie hätten die Posaune gekapert, wurde nur zur Vertuschung vorgeschoben. Wir wollten keinen Argwohn bei den falschen
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