Amnion 5: Heute sterben alle Götter
erfolgen.«
Trotz seiner Bestandteile menschlicher Erinnerung, Sprache und Verständigkeit konnte er Wörter wie ›Verhandlungen‹ und ›Diskussion‹ nicht ohne Unbehagen aussprechen. »Sobald wir die gegenseitige Erfüllung der Ansprüche erlangt haben, übermitteln Sie Ihren Raumschiffen und Raumstationen Ihre Befehle.«
Er wandte sich ab. Mit einer unbeholfenen Geste legte er Warden Dios nahe, sich ihm anzuschließen.
Eine Kammer… Offenbar hatte Vestabule keine Absicht, dem VMKP-Polizeipräsidenten Einblick in die ›Brücke‹ oder sonstige wichtige Einrichtungen des Raumschiffs zu gewähren. Dios nickte vor sich hin. Es tröstete ihn zu wissen, daß der Amnion ihn nach wie vor für gefährlich hielt.
Am Haltegriff der Wand stieß er sich ab und schwebte Vestabule zwischen den beiden Leibwächtern hinterdrein.
Keiner von beiden machte Anstalten, nach ihm zu greifen. Statt dessen folgten sie hinter ihm, zu dicht, als daß ihm wohl dabei gewesen wäre, gleichzeitig jedoch in zu weitem Abstand, um ihn augenblicklich packen zu können. Noch ein kleiner Trost: Vestabule hatte vor, es erst mit Überredung zu versuchen, ehe er Zwang ausübte.
Aus dem Laderaum wechselte Vestabule in einen Korridor, der aufgrund seiner Verwundenheit und Unregelmäßigkeit einem schmalen, tiefen Bachbett glich. Indem es um Warden Dios enger wurde, schien das Licht sich zu ballen. Die Flächen brodelten wie kochender Schwefel. Der vorausliegende Abschnitt ähnelte immer mehr dem Einstieg in einen Glutofen.
Doch der Weg war nicht weit. Nach zwanzig oder dreißig Metern hielt Vestabule an einer ungleichmäßig geformten Vertiefung der Wand inne. Sie erwies sich, sobald Warden Dios aufholte, als Eingang. Vestabule berührte daneben mit dem Handteller eine Abtasterfläche, und die Tür glitt beiseite.
Vestabule führte Dios in einen Raum, der knapp die Maße eines Vernehmungszimmers hatte. Helligkeit aus unkenntlicher Quelle glomm bis in jeden Winkel. An einer Wand war eine Konsole installiert, beziehungsweise gezüchtet worden. Dios wußte zu wenig über die Amnion-Technik, unterstellte jedoch, daß es sich um ein Kommunikationsterminal handelte. Darüber hinaus war in der Kammer nichts als zwei einander gegenüber im Fußboden verwurzelte Stühle vorhanden; wohl zur Bequemlichkeit gab es an beiden Nullschwerkraftgurte.
Weshalb wollten die Amnion ihn in diesem Loch haben? Zu Verhandlungen, hatte Vestabule behauptet. Aber er hatte auch beteuert, Warden Dios dürfte nach der »Diskussion« zum VMKP-HQ zurückkehren – und damit eine leicht erkennbare Lüge aufgetischt. Wie viele Lügen waren von dem Amnioni darüber hinaus geäußert worden?
Als Dios fragte: Aus welchem Grund soll ich Ihnen vertrauen?, hatte Vestabule geantwortet: Weil wir Amnion sind. Im Gegensatz zur Menschheit betreiben wir ehrliche Verhandlungen. Wir halten unsere Zusagen ein. Und hinzugefügt: Aber ich will Ihnen zusätzlich folgendes sagen: Wir könnten nichts dadurch gewinnen, daß wir uns an Ihnen vergreifen.
In diesen Worten verbarg sich die Lüge, doch Warden Dios durchschaute sie nicht. Er mußte abwarten, bis sie offenkundig wurde.
Er bezweifelte, daß das Warten lange dauerte.
So entschlossen, als wüßte er für alles einen Ausweg, schwebte er zu einer der Sitzgelegenheiten, zog sich darauf hinab und brachte den Sicherheitsgurt auf seinem Schoß zum Einrasten.
Vestabule tat das gleiche. Kaum hatte er sich angeschnallt, stieß er eine Reihe kehliger Laute aus, sprach entweder ins Mikrofon oder zu seinen Begleitern; unterscheiden konnte Dios es nicht. Auf jeden Fall reagierten die Leibwächter, als wären ihnen Befehle erteilt worden. Sie verließen die Kammer. Einer von ihnen schloß per Abtasterkontakt die Tür von außen.
Warden Dios blieb mit seinem Dämon allein.
Ohne Schutz, ausgenommen die Kraft, die er aus seiner Furcht bezog…
Er fing die Unterredung sofort an.
»Sie möchten also etwas diskutieren – irgend etwas, wovon Sie glauben, es sei das Risiko eines Kriegs wert.« Zwar sprach er mit allem Nachdruck, aber die befremdlichen Wände schienen seine Stimme zu dämpfen, ihr jeden Hall zu nehmen. »Sie haben erklärt, daß ›die gesamte Zukunft der Beziehungen zwischen unseren beiden Spezies von der Beilegung dieser Angelegenheit abhängig‹ sei. Und Sie haben angedeutet, wir könnten am besten in persönlichem Gespräch zu einer Lösung gelangen, weil Ihr« – er erlaubte es sich, das Gesicht zu verziehen – »›früheres
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