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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ermutigen. »Meines Erachtens schweben Sie in keiner Gefahr. Die Stiller Horizont will kein Gefecht provozieren. Sie wird Sie nicht beschießen.«
    Allerdings reagierte der Pilot mit erregter Entrüstung, als hätte Dios ihn der Feigheit beschuldigt. »Das habe ich nicht…«
    Insgeheim flatterten Dios die Nerven. »Ich weiß«, unterbrach er den Mann. »Jeder will, wenn er sterben muß, daß es einen Sinn hat. Glauben Sie, ich fühle nicht genauso? Bloß ist Freitod einfach zu leicht.« Entschieden ließ er seiner Stimme eine gewisse Schärfe einfließen. »Die Pflicht, die zu erfüllen wir geschworen haben, ist leider etwas schwerer. Ich möchte folgendes klarstellen. Sie werden mich wohlbehalten zur Luftschleuse des Amnioni befördern. Anschließend fliegen Sie zum VMKP-HQ zurück. Ohne den Protonenemitter zu rammen. Oder sonst irgend etwas Unplanmäßiges durchzuführen. Sie tun Ihre Arbeit. Ich erledige meine Arbeit. Und vielleicht« – nur vielleicht – »wendet sich dann alles zum Guten.«
    Der Scanning-Spezialist hob die Schultern. Gleich darauf senkte der Pilot den Blick und schaute zur Seite. »Aye, Sir«, sagte er leise. »Sie können sich auf uns verlassen.«
    Möglicherweise meinte er in Wahrheit: Wir verlassen uns auf Sie.
    Noch dreizehn Minuten.
    Warden Dios schlang die Arme fester um den Brustkorb. »Ich weiß.«
    Zu viele Menschen mit zu vielen Nöten verließen sich auf ihn. Und sobald er die Schwelle zur Luftschleuse der Stiller Horizont überschritt, ging er so gut wie jedes Mittels verlustig, mit dem er ihnen eine Hilfe sein könnte.
    Die restliche Zeitspanne, ausgefüllt mit Gedanken an die Abwesenheit von Rächer und Posaune, schien dem Polizeipräsidenten schnell zu verfliegen. Der Funker tauschte mit dem Amnioni eine Reihe von Anflugsdaten sowie im Fachjargon formulierten Meldungen und Bestätigungen aus. Vorsichtig bugsierte der Pilot das Shuttle graduell in die Parkbucht.
    Als die Displays hinsichtlich der Schleusenabdichtung Grünstatus anzeigten, schwang sich Warden Dios aus dem Andrucksessel, um dem Unheil ins Auge zu blicken, das er selbst über seinen Heimatplaneten und all dessen Bewohner heraufbeschworen hatte.
    Er mußte nur unkomplizierte Vorbereitungen treffen. Er nahm die schwarze Kapsel und die Atemmaske, die ihm Hashi Lebwohl ausgehändigt hatte, aus der Tasche. Die Kapsel steckte er in den Mund, schob sie zwischen Backe und Gaumen. Danach sah er sich die Atemmaske an und legte sich die Riemen so um den Kopf, daß er die Maske auf der Stirn hatte, von wo er sie im Bedarfsfall auf Nase und Mund herunterziehen konnte.
    Ehe er die Steuerkanzel verließ, diktierte er eine Belobigung der dreiköpfigen Besatzung ins Computer-Logbuch des Shuttles. Und im Gegensatz zu seiner Gewohnheit erwiderte er diesmal den markigen Gruß der Männer. Dann kehrte er ihren starren Mienen den Rücken zu und machte sich auf den Weg zur Luftschleuse.
    Weder redete er noch ein Wort zur Crew, noch mit der Stiller Horizont. Alle Worte wären jetzt verschwendet gewesen. Der Funker stimmte das Öffnen und Schließen der Schleusentüren ab; gewährleistete die richtige Reihenfolge. Auf die Unversehrtheit der Abdichtung achtete der Scanning-Spezialist. Einen schrecklichen Moment lang befürchtete Warden Dios, als sich der Ausgang öffnete, der Mut könnte ihn verlassen. Noch nie hatte er einem leibhaftigen Amnioni gegenübergestanden. Mit Ausnahme des alten Kapitäns Vertigus kannte er keinen Menschen, der sich je an Bord eines Amnion-Raumschiffs aufgehalten hatte. Aber Morn Hyland und Angus Thermopyle verdienten von ihm, Warden Dios, ein besseres Auftreten. Die ganze Menschheit verdiente es…
    Die Leute auf der Posaune verkörperten Waffen, die er mit eigener Hand geschmiedet hatte. Durch ihn waren sie ins Spiel gebracht und dann freigesetzt worden. Nun mußte er ihnen, ob daraus Gutes oder Übel erwuchs, Vertrauen schenken.
    Während er die Atemmaske über den Mund stülpte, um seine Lungen vor der ätzenden Atmosphäre zu schützen, die die Amnion bevorzugten, durchquerte er die Schleusenkammer des Shuttles und betrat die Stiller Horizont.
    Auf den seltsam beschaffenen Oberflächen der Wände schien schwefliges Licht zu haften, ja aus dem Innern zu leuchten, so daß das durch Züchtung gewachsene Metall nachgerade lebendig wirkte, voller Kräfte und Intentionen. Dir bloßer Anblick löste hinter seiner IR-Prothese Beschwerden aus. Ihm war zumute, als hätte er sich in eine Dantesche Vorhölle

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