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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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gewagt.
    Aus dem Kommunikatorlautsprecher der Shuttleschleuse drang die Stimme des Funkers und kündete die Schließung der Schleusentüren an. Jetzt bestand Dios’ letzte Gelegenheit, um zu fliehen und zu sterben; sich den Folgen der eigenen Handlungen zu entziehen. Doch er wußte, daß er sich so etwas nicht leisten konnte. Die Schmach der selbstzugefügten Wunden begleitete ihn überall hin; davor war keine Flucht möglich. Anstatt zurückzuschrecken, schaute er zu, wie sich die äußere Irisblende der Schleuse des Amnion-Kriegsschiffs schloß. Dann drehte er sich um und blickte dem entgegen, was da kommen sollte.
    So wie die Außenpforte der Schleusenkammer funktionierte auch die Innenpforte, die ihm Zutritt ins Alien-Raumschiff gewährte, nach Art einer Iris. Beim Überschreiten der Schwelle haschte er nach dem ersten Haltegriff, den er bemerkte, damit er nicht buchstäblich abhob; nicht unkontrolliert umherschwebte.
    In der Nullschwerkraft trieben drei Gestalten, erwarteten ihn. Im ersten Moment weigerte sich Warden Dios, den Blick auf sie zu richten. Während er darum rang, sich die Courage zu bewahren, sah er sich in dem Innenraum um, den er von der Parkbucht aus durch die Schleuse betreten hatte.
    Die deutlich schwefelgelbe Farbe des Lichts, so schien es, verlieh der Luft eine gewisse Sämigkeit, es sah aus, als ob die Schotts andauernd schwach pulsierten. Normalerweise war der große Raum wohl für Fracht bestimmt: Dios unterschied unregelmäßig geformte Strukturen, die an Laufkräne erinnerten und an denen Kabel hinaufführten, die zottigen Ranken ähnelten; auf Magnetschienen standen gedrungene Transportfahrzeuge. Aber die Art und Weise, wie die Amnion den vorhandenen Raum nutzen, ergab für seine Vorstellungen keinerlei Sinn. Selbst in einem Raumschiff, das keine Bordschwerkraft erzeugen konnte, blieb die Anordnung der Maschinen und Apparaturen für das menschliche Auge abwegig. War es tatsächlich möglich, hier Fracht zu verladen?
    Warden Dios lenkte sich, um einer Panikanwandlung vorzubeugen, mit purer Neugier ab, bis eine der drei Gestalten ihn ansprach.
    »Warden Dios…« Obwohl die Verzerrung durch schubbedingte Distortionen fehlte, erkannte der Polizeipräsident die Stimme wieder. »Ich bin Marc Vestabule.«
    Vor unwillkürlicher Beklemmung hielt Dios den Atem an und wandte sich endlich den drei Gestalten zu.
    Einer hätte der Klon des anderen sein können. Kleidung trugen sie nicht: Anscheinend erübrigte die rostbraune, borkenartige Hautkruste eine Bedeckung. Ihre Körper hatten eine allgemein hominoide Form. Auf einem Rumpf mit Armen und Beinen saß ein Kopf mit Augen und Mund. Dennoch zeichneten sie sich nicht einmal durch entfernte Menschenähnlichkeit aus. Soviel Warden Dios sah, hatte jeder Amnioni vier Augen, und zwar dermaßen um den Schädel verteilt, daß sie eine Rundumsicht boten. Der lippenlose Mund strotzte von dolchspitzen Zähnen. Jeder hatte drei Arme und Beine derartig am Rumpf verteilt, daß sie unter Nullschwerkraftbedingungen eine beinahe ideale Nutzbarkeit und Beweglichkeit ermöglichten.
    Waffen hatten sie nicht dabei, weil sie keine brauchten. Sie waren hier in ihrem Element, praktisch wie zu Hause; eindeutig dazu befähigt, ihn im Zaum zu halten. Und die krustigen Körpermassen erweckten den Eindruck ungeheurer Kraft. Sie verströmten trübe IR-Auren, denen er nichts entnehmen konnte. Ihre Emanationen erwiesen sich für ihn als undeutbar.
    Sie mußten Leibwächter Marc Vestabules sein, der ihnen äußerlich nur beschränkt entsprach. Er war noch menschenähnlich genug, um Dios eine Gänsehaut zu verursachen.
    Wie ein Mensch trug er eine schwarze Bordmontur, allerdings aus einem Material, das Warden Dios noch nie gesehen hatte: einem Stoff, der die Helligkeit aufzusaugen schien wie ein Schwamm Wasser. Die Umrisse des Brustkorbs und der Gliedmaßen sowie die Gesichtszüge wirkten normal. Über seinen Stiefeln reichte gewöhnliches, helles Fleisch bis an die Knie; oberhalb der Knie jedoch waren die Hosenbeine der Bordmontur gekürzt worden, um Platz für dicke Knoten borkigen Amniongewebes zu schaffen. Aus einem Ärmel ragte ein menschlicher Arm mit ebensolcher Hand; der zweite Arm war hingegen nackt und von der Schulter bis zum Unterarm mit rostartigen Verhärtungen bedeckt. Eine Hälfte des Gesichts zeigte keine Spur einer Mutation oder Entstellung; in der anderen Hälfte saß, ohne zu zwinkern, ein Amnionauge von zähflüssigem Aussehen über einem teils lippenlosen

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