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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Mund mit spitzen, Hauern vergleichbaren Zähnen.
    Geradeso wie bei den Leibwächtern umfaßte seine Aura nichts als ein Gestrudel, dem Dios nichts entnehmen konnte, sondern von dem ihm zu schwindeln drohte. Ein Ohrhörer im Ohr und ein Mikrofon an seinem Kinn verdeutlichten, daß ihm die Möglichkeit freistand, mit der Brücke – oder wie die Amnion die Lenkzentrale eines Raumschiffs nennen mochten – zu kommunizieren, wann er wollte.
    Mühsam schluckte Warden Dios, um seine Kehle zu befeuchten; sich zum Atmen zu zwingen. Marc Vestabule war einmal ein Mensch gewesen; daran bestand kein’ Zweifel. Doch die Amnion hatten ihn lediglich soweit transformiert, daß erhebliche Teile seiner ursprünglichen Erscheinung erhalten blieben.
    Es kostete Dios beträchtliche Anstrengung, sein Grauen zu unterdrücken – ein blindes, atavistisches Entsetzen, das unmittelbar seinen Genen zu entspringen schien. Irgendwie sollte es möglich sein, dachte er hoffte er –, sich mit solchen Lebewesen zu verständigen. Es müßte zu schaffen sein, sagte er sich, daß man die eigene Panik hinlänglich bändigte, um sie zu verstehen. Oder ihnen entgegenzuwirken.
    Aber es gelang ihm kaum, Luft in die Lungen zu holen. Es überforderte ihn, sich zu rühren oder zu reden. Dicht vor ihm warteten die Dämonen seiner ärgsten Alpträume; Abbilder einer Verdammnis, die er für die ganze Menschheit riskierte. Und doch verkörperten diese Geschöpfe keine wahre Verdammnis. Vielmehr war Verdammnis ihrer gesamten Natur nach für Menschen eigentümlich. Leid, Schrecken und Qual gehörten zum arteigenen Erbe der Menschheit; jedes Kind brachte von Geburt an dazu die Voraussetzungen mit. Die Amnion waren schlimmer. Letzten Endes galten selbst ewiges Weh und ewiges Elend weniger als das Verhängnis, das von ihnen ausging.
    Verstehen und Gegenwirken blieben völlig außer Frage.
    Beinahe unfreiwillig, sich kaum dessen bewußt, schob Warden Dios die Kapsel zwischen die Zähne. Da jedoch schoß ihm unversehens, dank durch Furcht oder Willenskraft begünstigter Gedankenakrobatik, die Antwort durch den Kopf, die ihm jetzt Hashi Lebwohl gegeben hätte. Ach, wahrscheinlich ist es gar nicht nötig, sie zu verstehen, hätte Lebwohls Kommentar gelautet. Ihr Imperialismus ist genetisch bedingt. Sie wünschen die Umformung sämtlichen Lebens, so wie wir nach Luft verlangen. Das ist leicht begreiflich. Wir müssen sie erst fürchten, wenn sie dazu imstande sind, uns zu verstehen.
    Was hatte Vestabule gesagt? Indessen hat das Verfahren, durch das ich Amnioni geworden bin, mir gewisse Bestandteile menschlicher Erinnerung, Sprache und Verständigkeit belassen. Aus diesem Grund bin ich mit Entscheidungsbefugnis ausgestattet worden. Mein früheres Menschsein ist mir dabei eine Hilfe, im Umgang mit Ihnen meine Funktion effektiv auszuüben.
    Wenn das zutraf – und Hashi Lebwohls mutmaßliche Einschätzung stimmte –, brach die Zeit wahrer Furcht an.
    Schlagartig wuchs Warden Dios über primitives Grausen und eingefleischten Abscheu hinaus. Mit einer Klarheit, die ihn verdutzte, ersah er, daß er seine Furcht zu dringend benötigte, um sie für nichts besseres zu gebrauchen, als daß er sich durch sie lähmen ließ. Aus Furcht gedieh Kraft: Sie machte ihn menschlich. Und falls Vestabule noch in diesem oder jenem Umfang zu denken und zu handeln fähig war, als wäre er ein Mensch, dann gab es nur für einen anderen Menschen darauf Hoffnung, ihm widerstehen zu können.
    Behutsam plazierte Warden Dios die Kapsel zurück in die Backe. Die Luft, die er durch die Maske atmete, roch nach Verrat. Nach menschlicher Bosheit; menschlicher Hinterlist. Und Hoffnung. Er grinste, als hätte er eine größere Herausforderung bestanden, als Marc Vestabule ihm je zumuten könnte. »Ich bin Warden Dios«, sagte er in die Atemmaske. »Ich weiß nicht, was Sie ›diskutieren‹ möchten, aber es wäre mir lieber, die Diskussion fände in einem kleineren Raum statt.« Wo er sich weniger auf dem Präsentierteller fühlte. Unter diskreteren Umständen. »Das Ganze hier« – er wies rundum – »ist mir nämlich nicht so sympathisch.«
    »Ihr Wunsch stellt uns vor keine Probleme, Warden Dios.« Ohne die Verzerrung durch schubbedingte Statik klang Vestabules Stimme so, wie seine Alienhaut aussah: rostverkrustet, als wäre sein Menschsein durch Mißbrauch angegriffen worden. »Ehre Ansprüche werden erfüllt. Wir haben eine Kammer vorbereitet. Dort sollen die Verhandlungen in persönlicher Diskussion

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