Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Amnion-Kriegsschiffs auf Sie verhindern kann. Seit er an Bord gegangen ist, haben wir keinen Funkkontakt mehr zu ihm. Sein Shuttle ist gegenwärtig auf dem Rückflug von der Stiller Horizont. Sobald Sie Warden Dios’ Befehle empfangen, haben Sie zu entscheiden, wie Sie sie auszuführen gedenken. Oder ob überhaupt.«
Die Untertöne der Ermattung in Hashi Lebwohls Stimme erlangten erhöhte Deutlichkeit. »Ich bin der Auffassung, daß der Amnioni, selbst wenn sein Ansinnen zur Zufriedenheit geregelt wird, Warden Dios nicht gehen läßt. Man dürfte ihn an Bord der Stiller Horizont behalten, um sich unserer Fügsamkeit zu vergewissern. Deshalb betrachte ich ihn als Geisel. Ich sage das mit aller Klarheit, damit Ihnen, falls Sie die Befolgung seiner Anweisungen verweigern, die Konsequenzen einsichtig sind.«
»Die etwaigen Weiterungen sind mir vollauf ersichtlich, Direktor Lebwohl«, entgegnete Min Donner bissig. »Nur weil ich zur OA gehöre, bin ich nicht blöd.« Hashi Lebwohl überging ihre Bemerkung. »Überdies müssen Sie«, klärte er, noch immer fahrig, Min Donner auf, »sich darüber Gedanken machen, wie Sie am besten auf Holt Fasners Wünsche eingehen. In bestimmter Beziehung ist seine Entrüstung berechtigt. Er ist der Unterhalter der VMKP. Hätten wir nicht die Kriegsrechtsklausel in unserem Statut, könnte er die uns verfügbaren Daten bis zum allerletzten Bit rausholen und selbst mit der Stiller Horizont in Verhandlungen treten. Und auch im Kriegszustand behält er die Macht zu Warden Dios’ Absetzung. Zur Begründung würde er wahrscheinlich ›Amtsmißbrauch‹ anführen.«
Morn und Davies erschraken bei dieser Aussicht. Brächte Holt Fasner es wirklich über sich, Warden Dios zu feuern, während der VMKP-Polizeipräsident den Amnion als Geisel herhalten mußte? Trotz der Tatsache, daß Dios sein Leben riskierte, um Millionen andere Menschenleben zu schützen? Anscheinend erachtete Hashi Lebwohl ihn als dazu fähig.
Min Donner allerdings sah Lebwohls Worte in anderem Zusammenhang. Sie hob den Kopf. »Aber uns kann er den Stuhl nicht vor die Tür setzen, oder, Direktor Lebwohl?«
»Nein.« In Hashi Lebwohls Auskunft schwang grimmige Befriedigung mit. »Dazu ist ausschließlich der VMKP-Polizeipräsident befugt. Erst müßte der Drache Warden Dios abservieren. Bis dahin sind wir vor ihm sicher.«
Min Donner gestattete sich ein kaum hörbares erleichtertes Seufzen.
»Ich muß dazu anmerken«, sagte Lebwohl, »daß es aus meiner Warte fraglich ist, ob man in der aktuellen Situation im VMKP-HQ einen Führungswechsel hinnimmt. Warden Dios hat nie eine treuere Anhängerschaft gehabt als zum jetzigen Zeitpunkt.«
Morn nickte verständnisvoll. Vermutlich stünde sie, wäre sie momentan im VMKP-HQ, genauso treu zu Dios.
»Na gut.« Min Donner rückte die Schultern gerade. »Ich überschaue die Lage und werde mich gleich mit der Stationszentrale besprechen.« Sie verstummte, sammelte ihre Gedanken. »Aber Sie haben mir noch nicht verraten«, hakte sie nach, »was Ihre Aufgaben sind.«
»Ach, Direktorin Donner…« Es hatte den Anschein, als entfernte sich Hashi Lebwohl vom Mikrofon. »Sind Sie ganz sicher« – nun klang seine Stimme, als wäre er unerreichbar fern –, »daß ich Ihnen darüber Aufschluß geben soll, während Leutnantin Hyland und ihre Kumpanei uns zuhören?«
»Natürlich nicht«, antwortete Min Donner. »Ich kann ja nicht ahnen, was Sie mir zu erzählen haben.« Aber sie berichtigte sich unverzüglich. »Doch, ja, ich bin mir sicher. Diese Leute haben ein Recht darauf zu erfahren, was los ist. Und ich habe hier nicht unbedingt die volle Kommandogewalt. Leutnantin Hyland kann unser Gespräch jederzeit unterbrechen, sollte ihr mißfallen, wie wir sie behandeln. Ich brauche ihre Unterstützung.«
Man hatte den Eindruck, daß Hashi Lebwohls Zerstreutheit und Schwächlichkeit schlagartig verflog. »Dann will ich Ihnen alles erklären.« Von nun an zischelte seine Stimme wie eine Art deutlich artikulierten Hechelns, lebhaft und klar verständlich, aus den Lautsprechern. Er mußte seitens Min Donners die Antwort erhalten haben, die er sich erwünscht hatte: gewissermaßen eine Erlaubnis.
Morn befiel die schreckerregende Befürchtung, daß ihre Lage sich noch weiter komplizieren sollte; Hashi Lebwohl die Absicht hegte, auf seine diffuse Weise soviel Druck auf sie auszuüben, wie er nur konnte.
»Die Stiller Horizont ist an einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt im Umraum der Erde
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