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Dr. Gordon wird Vater

Dr. Gordon wird Vater

Titel: Dr. Gordon wird Vater
Autoren: Richard Gordon
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1
     
    «Und
wie sind die Flitterwochen ausgefallen?» fragte mein Freund Grimsdyke, als
spräche er von einem aktuellen sportlichen Ereignis.
    Ich zuckte zusammen.
    «Laß das dreckige Grinsen», sagte ich.
«Selbst nach so langer Zeit bin ich noch einigermaßen empfindlich für derlei
abgedroschene Scherze.»
    «Sorry, Alter», entschuldigte er sich.
«Aber du mußt zugeben: Flitterwochen sind eine leicht lächerliche
Angelegenheit. Zumindest kam’s mir so vor, als ich dich und Nicky
lebenslänglichen Wonnen in einem gemieteten Daimler entgegenfahren sah, an
dessen Heck ein paar alte Konservenbüchsen schepperten.»
    «Ich gebe dir gewiß darin recht, daß
sie ein stark überschätzter Zeitvertreib sind.»
    «Das möcht ich meinen. Es muß aber noch
schlimmer sein, dem Hoteldirektor einreden zu wollen, daß man seit Jahren
verheiratet ist, wenn man’s wirklich ist. Aber Scherz und Wonnen beiseite —
war’s nett?»
    Ich zögerte. «Nein», antwortete ich
dann. «Es stellten sich uns Hindernisse in den Weg, die sich nicht einmal ein
Havelock Ellis hätte träumen lassen.»
    Nicky und ich hatten — entgegen allem
Herkommen — mitten im Winter geheiratet und uns ein Hotel in Cornwall mit
blauen Fensterläden und als Wichtelmännchen getarnten Teehauben erkoren, das
außer uns nur andere Flitterwöchner und Rekonvaleszenten nach schweren
Krankheiten beherbergte. Kaum waren wir angekommen, begann mein Weib heftig zu
zittern. Ich schob das auf ihre Erregung, bis ich entdeckte, daß sie
neununddreißig Grad Fieber hatte. Ich schickte sie also ins Bett und pflegte
die Grippekranke eine Woche lang. Dann steckte ich mich an ihr an, und sie
mußte mich die darauffolgende Woche pflegen.
    «Das waren keine Flitterwochen, sondern
ein Virologenkongreß», lachte Grimsdyke. «Dennoch zeigt dies wieder einmal, wie
klug es ist, eine ärztliche Kollegin zu heiraten. Sie kann dich nicht nur in
gesunden und in kranken Tagen hegen und pflegen, sondern dich auch kostenfrei
behandeln und deine Arbeit übernehmen, während du dich einem gemütlichen
Rekonvaleszentendasein hingibst. Und das Vergnügen wird natürlich noch erhöht,
wenn man sich eine so bildhübsche Ärztin wie Nicky aufgabelt. Noch ein Bier?»
    Wir saßen im «Federhut» in Hampden Cross,
einem anheimelnden Wirtshaus voll jagdlicher Trophäen, die dem Vorderende von
Rotwild und dem Hinterende von Füchsen abgeknipst waren; seit etlichen
Jahrhunderten stillte es den Durst des Hertfordshirer Städtchens, in dem ich
meine Praxis betrieb. Wir gaben uns genüßlich der weitverbreiteten britischen
Sitte hin, «schnell einen vordem Sonntagsbraten zu heben» — meine Frau und alle
anderen Frauen weit und breit im Lande schwitzten über der Hammelkeule mit
grünen Erbsen, während sich die betreffenden Gatten eisern entschlossen so
lange mit Bier anfüllten, bis sie ebensogut und gern gedünstete Marbelsteine
verzehrt hätten.
    Nun konnte ich nur noch selten ins
Wirtshaus gehen — die Reputation des Arztes leidet nach wiederholtem Erscheinen
in einem solchen Lokal noch mehr als die des Pfarrers. Doch es war das erste
Wiedersehen mit meinem alten Studienkollegen vom
St.-Swithin-Spital, nachdem er bei meiner Hochzeit als Brautführer fungiert
hatte. Kurz danach hatte Grimsdyke eine Möglichkeit gefunden, seinen Hang zur
Psychiatrie mit seinem Hang zum Wohlleben zu kombinieren, indem er Anstaltsarzt
in einem Privatsanatorium für Nervenkranke in Inverness geworden war, einem
ehemaligen Schloß; nun war abermals ein Winter verstrichen und abermals hatte
ein Lenz die englische Landschaft mit frischen grünen Hüllen ausgestattet.
    «Du kehrst nicht mehr nach Schottland
zurück?» fragte ich, nachdem Grimsdyke mit unseren Maßkrügen von der Theke
zurückgekehrt war.
    «Kaledonien ist leider für meinen
Geschmack etwas zu wild und rauh. Es ist erschütternd anzusehen, wie es die
Eingeborenen zustande bringen, bei Zugluft und Haferspeisen zu gedeihen.
Außerdem sind sonntags die Wirtshäuser geschlossen.»
    «Du läßt dich also wieder in London
nieder?»
    «Gewiß. Ein Job dort oben im Norden hat
ja seine guten Seiten _ speziell wenn’s gilt, die Kasse aufzufüllen, deren
Stand nach der letzten Ratenzahlung für dein verdammtes Hochzeitsgeschenk recht
niedrig war. Aber es ist nun einmal so — der liebe gute alte Onkel Grimsdyke
kann einfach nicht ohne das Lichtergefunkel des Piccadilly leben.»
    «Niemand ist der Heimatscholle so
verbunden wie der Londoner», stimmte ich zu und
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