Amnion 5: Heute sterben alle Götter
herausgefallen sein, ohne daß Sie’s gemerkt haben.«
Hinter Strähnen verfilzten Haars verbarg Lane Harbinger ein Grinsen.
Der DA-Direktor beachtete sie nicht. »Können Sie nicht selbst den Sachverhalt erkennen«, fragte er im Tonfall äußerster Gereiztheit, »daß Sie hier unentbehrlich sind? Ohne Ihre Hilfe haben Lane Harbinger und ich keinerlei Aussicht, die Beweise zu finden, nach denen wir suchen.«
Mit starrem Arm, der dennoch zitterte, deutete er auf das Computerterminal, an dem er Mandich sitzen haben wollte. »An die Arbeit, Sicherheitschef Mandich«, befahl er. »Dort. Ich setze mich da hin.« Zwei Schritte, und er hockte in der Nähe Harbingers vor einem Computerterminal.
Der Sicherheitschef rührte sich nicht vom Fleck. Allem Anschein nach hatten Hashi Lebwohls Worte ihre Wirkung nicht ganz verfehlt: Die Streitsucht in seinen Augen war einiger Unsicherheit gewichen. Aber er verharrte, wo er stand.
»Sagen Sie mir«, forderte er barsch vom DA-Direktor, »was wir tun müssen.«
Was wir tun müssen. Er hatte ›wir‹ gesagt. Damit hatte Hashi Lebwohl ihn am Schlafittchen.
Mit einer Anzahl eilends gedrückter Tasten aktivierte der DA-Direktor das Terminal, dann suchte er nach der Datei, die Min Donner ihm zu öffnen versprochen hatte. Er tippte, betrachtete den Bildschirm, tippte weiter. »Lane«, erkundigte er sich mit zu guter Letzt mit wieder ruhigerer Stimme, »was haben Sie entdeckt?«
»Einen…« – Harbinger hämmerte Befehle in ihre Tastatur – »… Moment…« – sie biß sich auf die Lippe, versuchte ein alternatives Vorgehen – »…noch.« Plötzlich entfuhr ihr ein Ausruf des Triumphs. »Ha! Ich hab’s.«
Ruckartig wandte sie den Blick vom Monitor. Ihrer Stimme war tiefe Genugtuung anzuhören.
»Sicherheitschef Mandich, niemand hat an Clay Imposs’ Id-Plakette herumgepfuscht. Sie ist nicht mit Alts Daten beschrieben worden. Man hat eine neue Plakette eigens für Alt angefertigt, die lediglich sämtliche Legitimationen Imposs’ aufwies.«
Der Sicherheitschef furchte finster die Stirn.
»Ich habe den Verwendungsnachweis des KMOS-SAD-Chips der Id-Plakette ausfindig gemacht«, fügte Harbinger hinzu. »Eben ist’s mir gelungen. Vor drei Wochen ist er mit einer routinemäßigen Lieferung an die VMK-Generaldirektion geliefert worden. Zehn Tage später« – vorwurfsvoll deutete sie auf den Bildschirm – »hat man dort den Chip dem Büro des Sicherheitsverbindungsmanns zum Anodynum-Systemewerk überstellt. Zum Testen von Codekombinationen, heißt es.«
Am liebsten hätte Hashi Lebwohl Beifall geklatscht; laut gejubelt; seine Begeisterung zur Decke des Labors hinaufgeschrien. Mit den unterm Tisch versteckten Füßen steppte er kurz ein freudiges Tänzchen. Wäre nicht Mandich zugegen gewesen, hätte er über Lane Harbingers müdes, geniales Haupt einen Segen gesprochen.
Über die Labortische hinweg starrte Sicherheitschef Mandich sie begriffsstutzig an.
»›Zehn Tage später‹«, wiederholte Lebwohl. »Also vor elf Tagen. Aber der großmächtige Cleatus Fane behauptet frech, Nathan Alt sei schon mehrere Wochen vorher vom Posten des Sicherheitsverbindungsmanns entfernt worden. Kann sich jemand vorstellen, wie er dann an einen Chip gelangt sein soll, der sich nachweislich noch vor elf Tagen in der VMK-GD befand? Wenn er, wie der gute GOD uns einreden will, mit den Transnationalen Terratreuen unter einer Decke steckte, wie konnte er da im Besitz eines sowohl aktuellen wie auch korrekten Quellcodes sein?«
»Aber…« Anscheinend hatte Sicherheitschef Mandich Einwände, aber er stockte. Er versuchte den Mund zu schließen; doch es mißlang ihm.
»Es ist kein Beweis, ja«, sagte Hashi Lebwohl an seiner Stelle. »Sie haben recht. Und genau aus diesem Grund sind Lane und ich auf Ihre Mitwirkung angewiesen.«
Zwar verstand der Sicherheitschef nach wie vor nicht, auf was es eigentlich ankam – soviel ließ sich ihm ansehen –, immerhin jedoch legte er keine Widerspenstigkeit mehr an den Tag. Unsicher hob er die Hände, dann stapfte er ein, zwei Schritte auf das Computerterminal zu, das der DA-Direktor ihm zugewiesen hatte.
»Was soll ich tun?«
Als hätte er mit der Frage ein Stichwort gegeben, erschien auf Hashi Lebwohls Bildschirm die gesuchte Datei. Min Donner mochte sich selbstgerecht und unnachgiebig benommen haben; vielleicht hatte sie sich sogar beschränkt gezeigt. Aber in diesem Augenblick gehörte ihr dennoch Lebwohls Herz. Sie hatte Wort gehalten.
Nun redete
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