Amnion 5: Heute sterben alle Götter
lauschte. Zur Antwort blaffte er ein paar fremdartige Laute.
Leichte Entspannung lockerte die Verkrampftheit seiner verbliebenen Menschenmuskeln.
»Dem Anschein nach hat Ihre Direktorin Donner die Wahrheit gesprochen«, erklärte er, als hielte er diese Feststellung in bezug auf Davies’ Einstellung für relevant. »Die als VMK-GD bezeichnete Orbitalstation hat das Feuer auf Ihren Regierungssitz eröffnet.«
Davies biß die Zähne zusammen, um seine Reaktion zu verhehlen. Im ersten Moment vermochte er den Blick nicht von Warden Dios’ plötzlicher, unverhohlener Miene der Verblüffung und Hoffnung zu wenden. VMK-GD, das hieß: Holt Fasner. Der Mann, der über die VMKP verfügte, versuchte Suka Bator auszuradieren.
Schlagartig war der ›politische Konflikt‹ heftiger als gedacht zum ›Kampf‹ geworden. Irgendwie hatte Morns Zeugenaussage die Menschheit in einen internen Krieg gestürzt.
So deutlich wie ein mündliches Geständnis bezeugte Warden Dios’ Gesichtsausdruck, daß er sich eindeutig dessen bewußt war, der Urheber dieser Entwicklung zu sein. Er trug direkt oder indirekt dafür die Verantwortung. Von ihm war Morn und Davies eine Chance gegeben worden, Angus ihrer Gewalt zu unterstellen, zur Erde heimzukehren und Morns Leidensgeschichte publik zu machen.
»Ihre Raumschiffe beantworten den Beschuß mit einem zusammengefaßten Angriff auf die erwähnte Orbitalstation«, ergänzte Vestabule seine Mitteilung. »Unseren Scanningmessungen zufolge sind die Schutzvorrichtungen der Orbitalstation zur Abwehr eines solchen Feuerüberfalls ungenügend.«
Ehe er seine Empfindungen verheimlichen konnte, wich Dios’ Miene der Erregung einem Ausdruck schierer Begeisterung. In seinen Taschen ballten sich die Fäuste zu Knoten des Triumphs. »Nach unserer Einschätzung wird die VMK-GD vernichtet«, behauptete unterdessen Vestabule, »bevor sie dem Ziel erheblichen Schaden zufügen kann.«
Vielleicht weil noch in gewissem Umfang aus seinem vormaligen Menschsein überkommene Begrifflichkeiten das Denken des Amnioni bestimmten, hielt er nach wie vor an der Vorstellung fest, Geiseln zu haben. Aber die Bedeutung der Niederlage Holt Fasners ersah er offenbar nicht.
»Ihre Direktorin Donner hat uns zugesichert, daß wir durch die Auseinandersetzung nicht gefährdet werden«, wandte er sich an Davies, als ob Donners Vorwarnung ihm diese Schlußfolgerung nahelegte. »Sie ist ehrlich zu uns gewesen. Wir akzeptieren Ihre Aufgabe.«
Ohne hörbaren Befehl oder ersichtliche Zeichen schickte er die beiden Amnion mit den vielen zusätzlichen Armen in Davies’ und Dr. Shaheeds Richtung vorwärts.
Zwischen zwei Herzschlägen verschwand jeder Gedanke an irgend etwas anderes aus Davies’ Kopf: die Tragweite von Warden Dios’ Errungenschaft, die Gefahr für Angus und Ciro, die Rächer, Suka Bator, alles. Sein gesamtes Wesen konzentrierte sich auf den Moment, in dem sein scheußlichster Alptraum Wirklichkeit zu werden drohte.
Während sie sich näherten, nahmen die zwei Amnion Taschen von den Schultern. Hände klappten die Taschen auf; gleichzeitig langten andere Hände hinein und entnahmen ihnen je eine Injektionsspritze.
Der Inhalt der Injektionsspritzen leuchtete in der schwefel- und bernsteingelben Helligkeit wie flüssiges Verderben.
Einige der von den zwei Amnion mitgetragenen Geräte blinkten und summten jetzt wie Massendetektoren. Davies vermutete, daß sie etwas ähnliches wie ein Gewebescanning durchführten. Vielleicht maßen und bewerteten sie den Effekt der Mutagene.
Es konnte sein, daß die Amnion vor hatten, Vector Shaheed das gleiche Mutagen wie Warden Dios zu verabreichen. Dann hatten sie gegen ihn ein Druckmittel, um ihm sein Wissen zu entpressen. Dagegen war Davies sicher, daß sie mit ihm etwas anderes im Sinn hatten. Es war nicht ausgeschlossen, daß sie ihm gar kein Mutagen zu spritzen beabsichtigten. Statt dessen… Davies’ Herz raste, sobald er die Gefahr erkannte. Es mochte ein Nervenlähmungsmittel sein; das Kat-Äquivalent der Aliens; irgend etwas eben, das ihn betäubte oder handlungsunfähig machte, so daß sich ihnen die Gelegenheit bot, ihn in aller Ruhe zu untersuchen.
»Ich glaube, ich kann’s nicht, Davies«, krächzte Dr. Shaheed. Das Beben der Furcht, das seine Stimme durchzitterte, kontrastierte mit den Untertönen des Widerstandswillens. Doch nicht die Injektionsspritze flößte ihm Furcht ein.
»Tun Sie’s einfach«, forderte Davies in heller Panik von ihm.
Mit merklichem
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