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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Vernünftigeres ausdenken.
    Das leuchtete ein. Zu oft bereits hatte sie sich schonungslos Ungeheuerliches zugemutet, um ihm das Leben zu bewahren; um sicherzustellen, daß er Mensch bleiben durfte. In Zukunft wollte er kein Nutznießer ihrer Leiden mehr sein.
    Sie hatte ihn weit in den Schatten gestellt. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wozu sie mittlerweile geworden sein mochte.
    Aber immerhin war ihm etwas eingefallen, um Angus aus der Stasis zu wecken. Und anscheinend schlug die Erkenntnis, nicht sie zu sein, bei ihm graduell tiefere Wurzeln. Womöglich hatte sie sich inzwischen weit genug gefestigt, daß er ihr gegenübertreten konnte.
    Mit dem Handrücken fuhr er sich über die feuchten Augen, versuchte seine Sicht zu klären. Dann schwebte er durch den Korridor in die Richtung seiner Kabine. Morn blinzelte ihn fahrig an, als er eintrat; es hatte den Anschein, als wäre sie durchs Geräusch der Tür geweckt worden und ihn im ersten Moment nicht zu erkennen imstande. »Davies«, nuschelte sie jedoch gleich darauf. Infolge der durchgemachten Strapazen hatte ihre Stimme einen heiseren Klang.
    Davies überlegte, daß er sich wohl lieber nicht die Augen hätte wischen sollen. In diesem Zustand mochte er sie nicht sehen: Sie war bleich wie der Tod, die Augen glichen in der weichen Landschaft ihrer Gesichtszüge dunklen Kratern. Ihre gesamte Schönheit war bis auf die Knochen geschrumpft. Zudem umhüllte ein Acryl-Gußverband ihren am Oberkörper fixierten rechten Arm, doch dessen war sie sich vielleicht gegenwärtig gar nicht so deutlich bewußt.
    Ihr Anblick ging ihm aufs Gemüt. Er hatte ein sonderbares Gefühl der Deplaziertheit, den Eindruck, zum erstenmal des greulichen Treibens, das Angus und Nick an ihr verbrochen hatten, in vollem Umfang inne zu werden. Irgendwie war er durch die Tatsache, daß er dem Bann ihrer Erinnerungen unterlegen hatte, die sein Selbstverständnis geprägt hatten, teilweise blind für die äußeren Folgen ihres Martyriums geblieben. Innerlich besehen, wirkten die Folgen dagegen sowohl extremer wie auch weniger faßbar.
    Neue Tränen rannen ihm auf die Wangen. Trotz seiner wichtigen Einsichten – oder vielleicht eben deshalb – spannten seine Muskeln sich wieder an, wollten ihn noch einmal zur Fötalhaltung zusammenkrampfen.
    Aber er hatte Angus aus der Stasis befreit. Angus’ Verfassung bedeutete keine Belastung mehr für ihn; er brauchte sich für kein weiteres Desaster zu rechtfertigen. Alles übrige konnte er doch wohl ein paar Minuten lang durchhalten?
    Er versuchte nicht vor Morn zu verheimlichen, was er empfand. So gebeugt, als hätte er innere Blutungen, klammerte er sich an den Rand der Koje und ließ sich darauf niedersinken, krallte sich an die Gurte des Anti-G-Kokons.
    »Davies…« Mühsam schluckte Morn, um ihre Kehle zu befeuchten. »Du lebst noch. Das ist schon einmal gut…«
    »Und du lebst auch…« Mitgefühl und Ermattung verursachten, daß seine Stimme wiederholte Male stockte, doch das war ihm einerlei. »Ich bin froh… Du warst so schlimm verletzt… darum hatte ich Sorge, du stirbst… oder daß wir alle sterben… bevor ich eine Gelegenheit habe, um mich zu entschuldigen.«
    Morn furchte erschöpft die Stirn; schluckte ein zweites Mal. »Wofür?« Die Wirkung der Medikamente, die ihr der Medi-Computer verabreicht hatte, ließ nach, aber ein gewisser Effekt war noch sichtbar, sie verlangsamten Morns Reaktionen, verminderten ihr Begriffsvermögen.
    Davies fühlte sich verlockt zu antworten: daß ich Nick in den Tod gehen ließ. Daß ich Sib in den Tod geschickt habe. Aber diese schrecklichen Begebenheiten konnten zwischen ihm und Morn als zweitrangig eingestuft werden; darüber war leichter zu sprechen. »Weil ich kein Vertrauen mehr zu dir hatte«, antwortete er jedoch statt dessen. »Weil ich so scheußliche Sachen zu dir gesagt habe.«
    Soviel ich weiß, bin ich Bryony Hylands Tochter.
    »Die halbe Zeit hindurch kann ich zwischen uns beiden keinen Unterschied feststellen. Ich bin reichlich durcheinander.« Wie schwache Krämpfe zuckten ihm in Schüben Spasmen durch Brustkorb und Bauch, blieben diesmal aber zu schwach, um seine Worte zu ersticken. »Und ich mochte auch gar nicht darüber nachdenken. Ich wollte die Angst vermeiden, die ich erlebe, wenn ich daran denke. Darum habe ich mir eingeredet, wir müßten ’ne Jagd auf die Liquidator veranstalten, weil’s sich für Polizisten so gehört. Um die Verbrechen zu ahnden. Aber ich merkte ja, daß du

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