Amnion 5: Heute sterben alle Götter
vermutlich Beschwerden: Min nahm an, daß ihm infolge irgendeiner Ursache die Gelenke weh taten. Aber die Schmerzen schienen ihn nicht zu stören. Seine bei Intertech geleistete Arbeit hatte zuletzt doch Früchte getragen. Möglicherweise hatte er jetzt seinen Frieden gefunden.
»Leutnantin Hyland«, ergriff plötzlich Dolph Ubikwe das Wort, »Sie sollten sich schämen.« Sein Tonfall troff von sorgsam bezähmter Wut. »Anscheinend sind Sie stolz auf Ihre Eltern. Haben sie Ihnen nicht beigebracht, wie man sich gegenüber einer hohen Vorgesetzten benimmt? Es ist Min Donner, Direktorin der Operativen Abteilung, vor der zu salutieren Sie offenbar für überflüssig halten.«
Min wandte die Augen nicht von Morn Hyland. Und diese wandte den Blick nicht von Min. Mit jeder Sekunde schien zwischen ihnen, hervorgerufen durch bislang unausgesprochene wechselseitige Ansprüche, dickere Luft zu herrschen.
Mehr denn je war Min der Überzeugung, daß sich alles um Warden Dios’ Ziele drehte, um die Zukunft, die ihm vorschwebte. Am Brennen ihrer Handteller und an der Krampfhaftigkeit, mit der ihre Faust die Pistole umklammerte, spürte sie, daß der Ausgang davon abhängen mochte, was zwischen ihr und Morn Hyland geschah.
Endlich öffnete die Leutnantin den Mund.
»Direktorin Donner…« Sie sprach leise; schwerfällig aufgrund vielschichtiger Intentionen. »Ich bin Leutnantin Hyland. Kapitän Thermopyle kennen Sie. Das ist mein Sohn, Davies Hyland.« Sie wies auf den jungen Mann an ihrer Seite.
»Direktorin Donner…«, brabbelte Davies Hyland rasch, als könnte er nicht an sich halten. Sein Tonfall bezeugte unfreiwillige Hochachtung.
Aber Morn Hyland war noch nicht fertig. Das Zögern in ihren Augen hatte anscheinend keine aufschiebende Wirkung auf ihre Handlungen. »Pflichtgemäß setzte ich Sie darüber in Kenntnis«, sagte sie, »daß ich die drei übrigen Personen in Haft genommen habe. Vector Shaheed, Mikka Vasaczk und Ciro Vasaczk sind meine Gefangenen.«
Kapitänhauptmann Ubikwe schnob wie eine Dampframme. »Das haut mich vom Sockel, Leutnantin. Man sieht den dreien das Häftlingsdasein ja nun wirklich nicht an. Nach allem, was ich weiß, verwenden wir, wenn die Verhafteten in der Überzahl sind, in der Regel Handschellen.«
Min schüttelte den Kopf. »Was soll das heißen, Leutnantin Hyland? Worauf wollen Sie hinaus?«
Spann mich nicht auf die Folter. Heraus mit der Sprache!
Morn hielt den Kopf hoch erhoben. Nur das Dunkle ihrer Augen glitzerte; sonst regte sich an ihr nichts. »Es soll heißen, daß ich für sie verantwortlich bin«, erklärte sie mit fester Stimme, »und ich, solange sie sich in meinem Gewahrsam befinden, keine Einmischung in meine Zuständigkeit dulde.«
Langsam verzog ein kämpferisches Lächeln Mins Lippen. Auf einmal scherte es sie nicht mehr, wessen Spiel sie trieb, oder warum sie es tat. Sie war Direktorin der Operativen Abteilung, und sie trug hier die Verantwortung. Ganz gleich, wie sehr sie Morn Hyland schätzte – oder Warden Dios ihr bedeutete –, sie kannte keine Neigung, irgend jemanden sich zwischen sie und ihren Diensteid drängen zu lassen.
»So geht das nicht.« Min betonte jede Feststellung wie eine Rüge. »Sie sind lediglich Leutnantin. Sie haben weder die Vollmachten noch die Kompetenz, um vor mir derartig aufzutrumpfen.«
Unvermittelt bleckte Angus die Zähne. Sie waren so gelblich wie seine Augen. »Ich hab’s dir ja vorhergesagt«, meinte er zu Morn Hyland, als wären sie beide allein.
Morn Hyland drehte sich um und schaute ihn an. Während sich in Min hitzige Ungeduld staute, nickte die Leutnantin bedächtig. »Du hattest recht«, gab sie gedämpft zu. »Wir machen’s auf deine Tour.«
Min erlebte einen Augenblick der Warnung, bevor die geballte Anspannung der Gruppe um Morn Hyland in Aktionen umsprang. Nur einen Augenblick eigentlich: einen Sekundenbruchteil, kaum lange genug für die Synapsen ihres Gehirns, um den Übergang zu gewahren.
Dennoch reagierte sie rasant. Jahre der Erfahrungen und des Trainings hatten sie mit blitzschnellen Reflexen ausgestattet. Noch ehe der Sekundenbruchteil endete, fuhr ihre Faust hoch, richtete die Impacter-Pistole auf Morn Hylands Kopf.
Aber die Leutnantin handelte schon. Weder die Zweifel in ihren Augen noch der Gußverband am Arm verlangsamten oder behinderten sie. Kaum war ihr letztes Wort zu Thermopyle gefallen, vollführte sie einen Satz auf Min zu.
Während des winzigen Zeitabschnitts, in dem Mins Waffe
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