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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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emporzuckte, hoben sich Morn Hylands Stiefel kraft ihres Sprungs vom Deck. Selbst wenn sie so scharfe Reflexe wie Min gehabt hätte, wäre sie nicht mehr dazu imstande gewesen, sich abzufangen, nicht einmal, wenn sie Mins Pistole noch gesehen und erkannt hätte, daß die Direktorin drauf und dran war, sie zu erschießen.
    Auch die übrige Gruppe war in Bewegung geraten: Angus Thermopyle, Davies und Mikka Vasaczk, Vector Shaheed, sogar Ciro Vasaczk. Es geschah zu plötzlich, als daß irgend jemand anderes auf der Brücke dagegen etwas hätte unternehmen können. Doch Min hatte keine Zeit für die sonstige Umgebung. Kaum eine Millisekunde blieb noch, um den Finger zu krümmen und Morn Hyland mitten im Sprung zu erschießen.
    Sie entschied sich so schnell dagegen, wie sie die Hand hochgerissen hatte. Ruckartig senkte sie die Dienstwaffe und wich Morn Hylands Angriff aus.
    Trotz Mins Behendigkeit dauerte die Umstellung zu lang. Morn Hylands Sprung beanspruchte eine viel zu kurze Frist, um der Direktorin mehrerlei Reaktionen zu ermöglichen. Ehe Min vollends zur Seite treten konnte, prallte die Leutnantin gegen sie, rammte den in Acrylmasse eingegossenen Unterarm gegen Mins Schulter, grapschte nach ihrem Arm.
    Dessen wäre Min sich zu erwehren fähig gewesen. Der Anprall betäubte ihr die Schulter, aber sie brauchte sie zur Gegenwehr nicht. Sie hätte nur das hintere Bein auf den Boden stemmen, die Hüfte nach vorn und den Oberkörper in Morn Hylands Schwung drehen müssen, und die Leutnantin wäre aus dem Gleichgewicht geworfen worden. Es hätte keine große Mühe gekostet.
    Zu Mins Unglück jedoch hatte Morn Hylands Angriff seinen Zweck schon erfüllt. Sie verübte eine Finte, sonst nichts, ein Ablenkungsmanöver. Bevor Min die wahre Gefahr sah, hatte Angus Thermopyle sie erreicht.
    Hätte sie ihre Beachtung von Anfang an ihm entgegengebracht, sie hätte ihn abgewehrt. Trotz seiner Vorteile als Cyborg hätte sie genug Zeit gehabt, um die Waffe zu zücken und zu schießen, ehe er ihr zu nahe kam.
    Aber so…
    So hatte sie keine Chance. Seine Faust traf sie mit der Gewalt eines Stahlkolbens seitlich am Kopf, und sie wirbelte davon wie ein Sack voller Leichenteile.
    Das Bewußtsein verlor sie nicht. Nein. Sie lehnte es schlichtweg ab. Sie war Min Donner, bei Gott noch einmal, Min Donner, und sie trug die Verantwortung für alles, was sich hier ereignete. Durch eine Banalität wie einen Hieb an den Kopf ließ sie sich nicht außer Gefecht setzen. Obwohl Schmerz durch ihren Schädel dröhnte und hallte, als wären die Knochen ein Gong, klammerte sie sich innerlich mit aller Willenskraft an Deck und Brücke, verweigerte es der gütigen Dunkelheit der Ohnmacht, sie mit sich fortzuschwemmen.
    Zunächst konnte sie nichts sehen: Thermopyles Schlag war so stark gewesen, daß er ihre Sehnerven lähmte, das Sehzentrum des Gehirns beeinträchtigte. Sie spürte, daß jemand ihrer erschlafften Faust die Waffe entwand. Mit der Wange fühlte sie Stiefel übers Deck schrammen. Am Rande der Besinnungslosigkeit hörte sie Geschrei und Geschimpfe: Dolph Ubikwes Wutgebrüll, Bydells unwillkürliches Aufheulen, Glessens derbes Fluchen.
    Dann schrie eine Frau.
    »Wenn Sie den Interkom-Apparat anpacken«, erscholl ihre barsche Stimme, »baller ich Ihnen die Rübe runter!«
    Nicht Morn. Auch nicht Bydell oder Cray.
    Folglich kam nur Mikka Vasaczk in Frage.
    Min wälzte den Kopf zur Seite. Neuer Schmerz stach bei der Bewegung durch ihren Kopf; doch als die Pein abebbte, kehrte ihr Sehvermögen zurück.
    Indem sie hektisch zwinkerte, hob sie den Blick vom Deck.
    »Alle herhören!« schrie Mikka Vasaczk. »Sollte jemand ’n Finger rühren, knalle ich den Kapitän ab. Erst lege ich ihn um. Dann erledigt Angus Direktorin Donner.«
    Min konnte Morn Hyland und Angus Thermopyle nicht sehen: Sie mußten sich hinter ihr befinden. Die anderen Besatzungsmitglieder der Posaune hatten sich auf der Brücke verteilt. Davies Hyland bewachte den Eingang zum Kommandomodul. Er hatte weder Thermopyles klotzige Gestalt noch seine Muskulatur; dennoch machte er den Eindruck, flink und entschlossen genug zu sein, um jedem, der die Konnexblende zu durchqueren versuchte, eine Abfuhr zu erteilen. Vector Shaheed stand vor Cray, bedeckte mit den Händen ihre Tastatur, so daß sie unmöglich kampflos Hilfe alarmieren konnte. Ciro Vasaczk kroch auf Händen und Knien zum nächsten Schott.
    Mikka Vasaczk war zur Kommandokonsole gestürmt, die Pistole in ihrer Faust zielte auf

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