Amnion 5: Heute sterben alle Götter
G-Andrucksessels herum. »Was nun, Direktorin?« fragte er, indem er Min abermals ansah.
Sie kannte keinerlei Zögern. »Ich will sie vor mir haben, Kapitän. Ich möchte ihre Gesichter sehen, wenn sie reden.«
Ubikwe nickte bedächtig. »Erinnern Sie unsere Gäste daran, daß eine Ehrenwache ein Zeichen des Respekts ist, Bootsmann«, sagte er in den Interkom-Apparat. »Versichern Sie Kapitän Thermopyle, daß die Ehrenwache abtritt, sobald er und seine Begleitung auf der Brücke angelangt sind. Dann bringen Sie sie zu mir. Über die protokollarischen Verfahren beim Überbooten auf das Raumschiff eines Polizeioffiziers des mittleren Dienstes können Kapitän Thermopyle und ich hier noch ausgiebig diskutieren.«
»Aye, Sir.«
Knackend verstummte der Interkom-Apparat.
In Bydells Miene spiegelten sich Fragen wider, die auszusprechen ihr die Erlaubnis fehlte. Glessen entfaltete an seiner Kontrollkonsole unnatürliche Geschäftigkeit, schenkte den Waffensystemen der Rächer höhere Aufmerksamkeit, als es die gegenwärtige Situation erforderte. Porson pfiff leise durch die Zähne, während er mit den Instrumenten das Dunkel des Alls durchforschte. Etliche Male hob Cray die Schultern und ließ sie ruckartig absinken, als hätte sie plötzlich einen Tic entwickelt.
Alle standen sie schon viel zu lange unter stärkster Belastung. Nur Emmett saß an seiner Konsole, als wüßte er keinen Grund zur Besorgnis.
Dolph Ubikwe musterte die OA-Direktorin mit mürrischem Gesichtsausdruck. »Was halten Sie davon?«
Min zuckte die Achseln. »Kommt mir vor wie Angstbeißerei. Eine Warnung. Um uns zu zeigen, daß er sich nicht herumschubsen lassen mag. Er ist ein Cyborg. Er kann sich wehren. Oder jedenfalls will er uns diesen Eindruck vermitteln.«
Von dieser Erklärung war sie selbst wenig überzeugt; ihr kam nur keine bessere in den Sinn.
Voller angestautem Grimm setzte sie das Abschreiten der Brücke fort.
Zufällig befand Min sich am anderen Ende des Runds der Brücke, als der Bootsmann und seine Ehrenwache die Besatzung der Posaune hereingeleitete. Aus ihrem Blickwinkel schienen sie auf dem Kopf zu stehen; an der Decke zu gehen.
Mit den sonderbaren Orientierungsphänomenen, die eine durch Bordrotation generierte Schwerkraft verursachten, war Min vertraut, nachhaltig vertraut. Dennoch durchquerte sie zügig den Innenraum der Brücke, um den Ankömmlingen von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten; jeden Ausdruck des Trotzes und des Zauderns ihrer Augen zu ergründen.
Wortlos sah die Brückencrew zu, während Morn Hyland und ihre Begleitung sich dem Kommandosessel näherten.
»Kapitän«, rief der Bootsmann auf formelle Weise, »ich melde Kapitän und Besatzung des VMKP-Interspatium-Scouts Posaune.« Ungeachtet seiner entschlossenen Miene zitterte ihm die Stimme.
Kapitänhauptmann Ubikwe maß die Leute der Posaune mit unpersönlich strenger Miene. »Danke, Bootsmann«, brummte er rauhbeinig. »Die Ehrenwache kann abtreten. Sie bleiben hier. Vielleicht gibt’s dies oder jenes, das Sie für unsere Gäste tun können.«
Leicht konfus salutierten der Bootsmann und die Mitglieder der Eskorte. Sobald Ubikwe den Gruß erwidert hatte, ließ der Bootsmann den Trupp von der Brücke abtreten. Anscheinend darüber im unklaren, was er als nächstes anfangen sollte, verharrte er anschließend einen Schritt hinter den Leuten der Posaune.
Min erreichte die Ankömmlinge, hielt an, eine Hand am Griff ihrer Dienstpistole, stemmte sie die andere Faust in die Hüfte, betrachtete die sechs Augenpaare, die sechs von Müdigkeit und Strapazen gezeichneten Gesichter, als lauerte sie nur auf Zeichen der Herausforderung.
Sie musterte sie allesamt binnen zweier Herzschläge; erst zusammen, dann einzeln. Zwei Frauen. Vier Männer. Oder zwei Männer und zwei junge Burschen. Einige von ihnen erkannte Min auf Anhieb. Die Namen der anderen konnte sie erraten.
Morn stand ein Stückchen vor den anderen; hatte die Führung übernommen; trug für sie die Verantwortung.
Der eine junge Kerl, ein aschfahles Jüngelchen mit traurigen Hundeaugen und unstetem Mund, sah aus, als müßte er sich bei der geringsten Aussicht auf irgendeine Unerfreulichkeit sofort übergeben; als hätte er längst genug Jammer durchgestanden, um Schaden an der Seele erlitten zu haben. Der Rest der Gruppe dagegen…
Die Mehrheit strotzte regelrecht von angestauter Spannung. Schon ihre äußere Haltung sprach mit aller Deutlichkeit von Gefahren, von denen Min nicht wußte, wie
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