Amnion Omnibus
stattgefundenen Videokonferenz Polizeipräsident Dios’ und Direktor Lebwohls mit dem EKRK gegenzusteuern. Im Effekt jedoch hatten die Kaze nur das Abschmettern des durch Kapitän Vertigus vorgelegten Abtrennungsgesetzes zur Folge gehabt.
Und jetzt hatte sie, Koina Hannish, den Auftrag erhalten, das alles vor dem Erdund Kosmos-Regierungskonzil zu enthüllen.
An sich hätte sie unter diesen Voraussetzungen außer sich vor Eifer sein müssen, schier in einer Ekstase des Gerechtigkeitssinns. Sie stand als Direktorin des Ressorts Öffentlichkeitsarbeit am Dreh-und Angelpunkt von Geschehnissen, die das Schicksal der ganzen Menschheit bestimmten. Der Schleier des Betrugs und der Willkür, den Holt Fasner zwischen der VMKP und dem EKRK gewoben hatte, wurde fadenscheinig. Sobald sie vor dem Regierungskonzil Warden Dios’ unmißverständliche Weisung ausführte und die Tatsachen beim Namen nannte, mußte das Gespinst des Lugs und Trugs zerreißen.
Sie hätte vor Aufregung aus dem Häuschen sein sollen; aber sie war es nicht. Vielmehr zerfraß Kummer ihr wie Säure das Herz, und ihre Haltung klarer Überzeugungen zersetzte sich von Minute zu Minute stärker. Sie saß allein, nahezu handlungsunfähig, in ihrem abgedunkelten Büro und rang um den allerbedeutsamsten Entschluß ihres Lebens. Warden Dios hatte sie dazu ausersehen, seinen Untergang in die Wege zu leiten.
Wenn sie vor dem Regierungskonzil das Wort ergriff – falls sie es tat –, hieb sie die Axt in die Wurzeln der Macht, die Holt Fasner über den Human-Kosmos hatte.
Naturgemäß scheuten die Konzilsdelegierten es angesichts der Kriegsgefahr, der VMKP ausgerechnet jetzt in die Parade zu fahren. Allerdings ergab sich diese Gefahr unmittelbar aus Angus Thermopyles Aktion gegen Kassafort und seiner gemeinsamen Flucht mit Morn Hyland.
Darum ließ sich der Vorwurf erheben, Warden Dios sei selbst schuld am drohenden Krieg. Auf alle Fälle war davon auszugehen, daß Maxim Igensard diesen Anwurf vortrug, zumal falls er Grund zu der Annahme sah, Warden Dios hätte sich denken können, daß Milos Taverner zum Verräter wurde. Deshalb war es durchaus denkbar, daß der Sonderbevollmächtigte die Behauptung aufstellte, die VMKP sei für die Menschheit eine ebenso große Gefährdung wie die Amnion.
Die Information, daß die VMKP den KombiMontan-Sicherheitsdienst hintergangen hatte, um die eigene Hegemonie auszudehnen, konnte Maxim Igensard zur Bestätigung seines Postulats dienen; das gleiche galt für den nicht auszuschließenden Verlust der Kontrolle Direktor Lebwohls über seinen unifizierten Cyborg.
Und die Bestürzung, die diese Offenlegungen auslösen mußten, würde sich noch dramatisch steigern, wenn Koina Hannish Generaldirktor Fasner beschuldigte, gegen seine Opponenten Kaze auszusenden.
Wahrscheinlich fanden die Konzilsdeputierten sich wenigstens dazu bereit, noch einmal über Kapitän Vertigus’ Gesetzesvorlage zu beraten – und vielleicht erfolgte nach der zweiten Debatte die Verabschiedung.
Und möglicherweise gingen sie noch weiter. Es war kaum anzunehmen, daß sie zu einem solchen Zeitpunkt die VMKP lahmlegten. Aber wenn Koina überzeugend genug auftrat, mochten Anklagen gegen Holt Fasner das Ergebnis sein. Eventuell zerschlug man die VMK.
Doch was auch ansonsten geschah, auf jeden Fall schasste das Regierungskonzil Warden Dios. Nicht nur seine unehrenhafte Entlassung wäre die Folge, man beschuldigte ihn voraussichtlich auch des Hochverrats.
Und Holt Fasner ließe ihn fallen wie eine heiße Kartoffel.
Dem Drachen bliebe gar nichts anderes übrig, als das EKRK nach Gutdünken mit Dios verfahren zu lassen, um sich selbst aus der Affäre zu ziehen.
Damit hätte Koina lieber nichts zu tun gehabt.
Vordergründig besehen wirkte Warden Dios’ Verhalten ungeheuerlich. Dennoch traute Koina ihm. Irgend etwas am Ballen seiner kraftvollen Fäuste, am forschenden Blick des einen Auges oder an der unterschwelligen Leidenschaftlichkeit seiner Stimme überzeugte sie von seiner Anständigkeit. So wie sie mußte er sich mit schlechten Kompromissen zufriedengegeben haben; schließlich war er für Holt Fasner tätig. Trotzdem glaubte sie, daß er stets aus inneren Beweggründen gehandelt hatte, die sie als rechtschaffen bewertet hätte.
Sie wollte nicht diejenige sein, die seinen Sturz verursachte.
Deshalb mußte sie sich nun zwischen ihrer Pflicht wie er selbst sie ihr beschrieben hatte – und ihrer persönlichen Treue zu ihm entscheiden. Auf was konnte sie
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