Amnion Omnibus
Pfützen von Körperflüssigkeiten zurückblieben.
Nur noch einer. Dann endlich konnte er sich, überlegte Angus, die Luftfilter krallen. Die Vorratsschränke mit den Lebensmitteln plündern.
Eine Leitung vom hiesigen zum eigenen Wassertank legen. Und auch sonst alles mitnehmen, was sich lohnte.
Natürlich wäre auch der Data-Nukleus ein willkommenes Beutestück gewesen. Aber ein Blick auf den Computer genügte ihm, um festzustellen, daß man den Data-Nukleus schon demoliert hatte. Ein Härtetyp wie Kapitänhauptmann Davies Hyland hatte sich wohl, noch während das Raumschiff auf den Asteroiden zustürzte, als erstes darum gekümmert. Seine kostbaren Codes, Kontakte, Befehle, ja selbst die routinedienstlichen Spezifikationen, durften nicht überdauern, damit niemand sie gegen ihn und seine Auftraggeber verwenden konnte.
Was für ein beschissener Blödmann, dieser Davies Hyland, dachte Angus. Total ein Scheißkerl. Inzwischen sieht er sogar aus wie Scheiße.
Erheitert durch diesen Vergleich, schob Angus eine weitere Leiche beiseite und setzte sich an die Kontrollen der Scanner. Die sekundären Systeme zur Bedienung der Schleusen funktionierten; folglich mußte in Teilen des Wracks noch Strom vorhanden sein. Das galt auch für diese Konsole. Indem er die Umfeldscanner aufs Innere des Wracks readjustierte, benutzte er sie, um den letzten Überlebenden zu lokalisieren.
Da: in einem Raum, den der Computer der Scanneranlagen als Hilfssteuerwarte identifizierte.
Als er das sah, entfuhr Angus ein unterdrücktes Knurren. Von der Hilfssteuerwarte aus mochte es unter Umständen noch immer möglich sein, auf die Strahlende Schönheit zu feuern.
Weil er diesmal wußte, wo sein Opfer sich aufhielt und er darum keine Vorsicht walten zu lassen brauchte, beeilte er sich nun, als er sich aufmachte, um das letzte Crewmitglied der Stellar Regent zu beseitigen.
Wegen der heiklen Situation hatte er mehr Interesse daran, sein Raumschiff zu schützen, als an grausamer Rache. Er stürmte mit schußbereitem Impacter und der Absicht auf die Hilfssteuerwarte, erst zu schießen und sich danach erst mit Gedanken abzugeben.
Morn Hyland brachte ihn zum Stehen, ohne einen Finger zu heben; ohne die Strahlende Schönheit zu bedrohen; sogar ohne überhaupt auf sein Eindringen zu reagieren. Statt dessen blickte sie mit einem Ausdruck unverhohlener, äußerster Beklommenheit im Gesicht durch ihn hindurch, als sähe sie etwas dermaßen Schauderhaftes, daß es sie für ihn blind, ihn für sie unsichtbar machte.
Im ersten Moment merkte Angus nicht einmal, wie sehr es ihn verblüffte, eine Frau anzutreffen, wo er einen Mann erwartet hatte.
Obwohl er wußte, daß sich kein dritter Lebender an Bord des Wracks aufhielt, übte ihr starrer Blick eine solche Gewalt auf ihn aus, daß er sich unwillkürlich umdrehte, um nachzuschauen, was ihr derartiges Grauen einflößte.
Nichts. Natürlich nichts. Angus hatte sie auf der Hilfssteuerwarte allein vorgefunden. Es lagen nicht einmal Tote herum. Sie hatte die Explosion und den Aufschlag überstanden, ohne mitzuerleben, wie ihre Crewkameraden starben.
Tief im Bauch wurmte Mißtrauen Angus Thermopyle. Er packte den Impacter fester und trat genau ins Blickfeld der Frau. Anscheinend nahm sie ihn immer noch nicht wahr. Unbewegt blieben ihre Augen vom inneren, persönlichen Grausen gebannt, mißachteten Angus’ Regungen, als wären sie zu insubstantiell, um von ihrem Sehvermögen bemerkt zu werden. Sie befand sich in einem Schockzustand. Wenn er nichts tat, um ihr aus dieser Verfassung herauszuhelfen, konnte es sein, daß sie stundenlang dauerte. Bis irgend etwas in ihr einen Genesungsprozeß anregte. Oder bis sie vollends in Wahnsinn entsank.
Angus hatte nicht im geringsten vor, ihr zu helfen.
Aber plötzlich sprach sie. »Lassen Sie mich sterben«, sagte sie in heiserem Raunen, als wäre ihre Stimme durch fortgesetztes Schreien rauh geworden.
In seinem EA-Anzug hatte Angus wieder zu schwitzen angefangen.
»Ich will keine Hilfe. Lassen Sie mich sterben. Gehen Sie.“
Angus musterte sie, betrachtete sie aufmerksam. Er wußte es nicht, aber seine Miene ähnelte ihrem Gesichtsausdruck. Trotz ihres Erstarrtseins im Schrecken erkannte er an ihr Züge, die ihn an Kapitänhauptmann Davies Hyland erinnerten. Und das Namensschild ihrer Bordmontur besagte: Leutnantin M. Hyland. Die Tochter des Kapitänhauptmanns? Durchaus möglich. Häufig flogen Familien Raumschiffe. Vor allem bei Organisationen wie der VMKP.
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