Amnion Omnibus
stellen, versucht er es mit einer Kompromißlösung. Vielleicht nehmen die Riesen, überlegt er sich, zum Lohn den Schatz Alberichs (und den Ring) an und verzichten auf Freia.
Die Riesen willigen ein. Von dem Ring haben sie natürlich schon gehört.
Zu diesem Zeitpunkt ist es Alberichs einzige Schwäche, daß er sich über den vollen Umfang seiner neugewonnenen Macht noch gar nicht richtig im klaren ist. Er versteht nicht, daß er selbst am Rande zur Göttlichkeit steht. Es lenkt ihn zu sehr ab, sich am Schatz und seiner Fähigkeit zu erfreuen, ungestraft das eigene Volk, die Nibelungen, zu schikanieren. Infolgedessen ist er anfällig – nicht durch Gewalt besiegbar, aber leicht durch List zu prellen. Dank der Gerissenheit Loges reißt Wotan sich durch Täuschung den Ring unter den Nagel und benutzt ihn unverzüglich, um Alberich zu unterwerfen und den Schatz zu vereinnahmen.
Gab sein Gold mir Macht ohne Maß, nun zeug’ sein Zauber Tod dem, der ihn trägt! Kein Froher soll seiner sich freun, keinem Glücklichen lache sein lichter Glanz! Wer ihn besitzt, den sehre die Sorge, und wer ihn nicht hat, den nage der Neid! Jeder giere nach seinem Gut, doch keiner genieße mit Nutzen sein! Ohne Wucher hüt’ ihn sein Herr, doch den Würger zieh’ er ihm zu! Dem Tode verfallen, feßle den Feigen die Furcht; solang er lebt, sterb’ er lechzend dahin, des Ringes Herr als des Ringes Knecht... Jetzt steckt Wotan in ernster Verlegenheit. Der Ring ist verwunschen, aber er ist ihm viel zu wichtig, als daß er bereit wäre, ihn aufzugeben.
Wotan kann den Riesen nicht einfach den Krieg erklären, weil die Gültigkeit der Vereinbarung in seinen Stab, den Quell seiner Macht, eingekerbt ist; gegen die selbst eingegangenen Verpflichtungen zu verstoßen, wäre sein Ende. Und die naturgemäße Ordnung der Existenz kann ausschließlich durch die Rückgabe des Rheingolds an die Rheintöchter wiederhergestellt werden; dadurch jedoch fiele Freia in die Hand der Riesen.
Allmählich erkennt Wotan nun das ganze Ausmaß seiner Verstrickung. Mit ein bißchen Nachhilfe durch Erda, der Erdmutter (auch so ein altes Wesen aus der Vorzeit der Götter), hat er schließlich ein Einsehen: er muß den Ring abgeben. Folglich erhalten die Riesen den Ring; Freia bleibt im Kreis der Götter, und Wotan bekommt Walhall.
Leider ist das lediglich eine zeitweilige Lösung. Nach wie vor schwebt die natürliche Ordnung in Gefahr. Der Ring ist für die Götter eine Bedrohung. Und der Fluch wirkt: die Riesen massakrieren sich gegenseitig, bis nur noch einer übrig und im Besitz des Rings ist; und dieser eine Riese sondert sich (in Gestalt eines Drachen) von der Welt ab, widmet sein ganzes Dasein der schlichten Aufgabe, zu verhindern, daß irgend jemand ihm den Ring abnimmt.
Die Walküre
Wotan ist dringend daran interessiert, seine Zwangslage vollauf zu verstehen. Anhand gründlicher, gemeinsam mit Erda betriebener Studien (aus denen zufällig acht Töchter hervorgehen, die Walküren) findet er heraus, daß es das einzige Mittel gegen das Übel des Rings wäre, das Rheingold den Rheintöchtern zurückzugeben. Das Unglück ist, daß er genau das nicht tun kann. Er ist nicht dazu imstande, dem Drachen den Ring zu entwinden, ohne das Übereinkommen mit den
Als erstes zeugt er mit einer Menschenfrau einen Sohn, Siegmund (und zudem, keineswegs aus Zufall, eine Tochter, Sieglinde, Sieemunds Zwillingsschwester). Dann erzieht er seinen Sohn, so stark, tapfer und disparat zu sein, daß er genug Mumm hat, um sich sogar mit einem Drachen anzulegen. Bedauerlicherweise verlangt diese Erziehung es, Siegmund und Sieglinde voneinander zu trennen und ihnen ein Leben in äußerster Einsamkeit, der Härten und Gefahren zuzumuten. Keiner von beiden ahnt, daß ihr Vater sie liebt – und sie braucht. Sie wissen nur vom Leben, daß es aus einem bitteren Überlebenskampf gegen grausame Widrigkeiten besteht.
Zu dumm: Wotans Plan hatte von Anfang ein dickes Manko. Diese Tatsache wird offenkundig, sobald Siegmund und Sieglinde sich finden und ineinander verlieben (sie wird schwanger). Das erregt die Aufmerksamkeit Frickas; als göttliche Hüterin des Ehestands ist sie für die Bestrafung solcher Sünden wie Blutschande zuständig. Sie zwingt Wotan zu der Einsicht, daß es nichts ändert, wenn er einen Helfer den Ring holen schickt; daß es, wenn Siegmund ihm den Ring bringt, geradeso wäre, als hätte er, Wotan, ihn sich selbst besorgt. Wotan kann deshalb nicht Siegmund vorschieben,
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