Amnion Omnibus
wahre Geschichte stützte sich auf lediglich eine Idee – dabei ist es so, wie ich es schon erwähnt habe: es beruht eine beträchtliche Anzahl meiner besten Geschichten nicht auf nur einer Idee, sondern auf zwei Ideen. Meine Probleme mit dem Buch entstammten dem Bedarf an einer zweiten Idee.
Diese Geschichte allerdings habe ich verkehrt herum erzählt. Die wahre Geschichte war in Wirklichkeit nicht die erste, sondern die zweite Idee. Sobald ich sie mit einem anderen Einfall kombinierte, einer Idee, die ich schon seit zwanzig Jahren im Kopf hatte – einer aufregenden,
In Wahrheit indessen beklagte Angus sich nie darüber, hereingelegt worden zu sein. Er erwähnte nie, es müßte beim Sicherheitsdienst einen Komplizen Nick Succorsos geben; er verteidigte sich in keinerlei Beziehung. Überwiegend zeigte er gar keine Reaktion auf seinen Niedergang. Nur als er erfuhr, daß die Strahlende Schönheit demontiert werden sollte, da heulte er viehisch, als litte er körperliche Schmerzen; aber er ließ Morn und Nick ihren Weg gehen. Zumindest soviel Rückgrat hatte Angus. Ungeachtet seines Grauens vor dem Eingesperrtsein verurteilte man ihn zur Haft bis ans Lebensende. So endet Die wahre Geschichte. Hier weist bestimmt nichts darauf hin, daß sich der vollständige Verlauf der Handlung über vier weitere Bücher erstrecken, oder darauf, daß er episch in Wagnerschem Sinn sein wird, so ehrgeizig angelegt, weitumfassend und eindringlich wie seinerzeit die CHRONIKEN VON THOMAS COVENANT DEM ZWEIFLER.
Die Begründung ist, daß die eigentliche Anregung für das neue, fünfbändige Werk – den Amnion-Zyklus – eine Aufnahme von Richard Wagners Götterdämmerung gewesen ist; die wahre Entstehungsgeschichte des Amnion-Zyklus setzte schon im Herbst 1966 ein.
Diese Aufnahme, die ich im September 1966 erwarb, war nicht meine erste Bekanntschaft mit Wagner, aber meine erste Begegnung mit seinem vierteiligen Opernzyklus Der Ring des Nibelungen, und sie bewog mich, mir so schnell, wie meine Finanzen es erlaubten (drei Jahre lang sparte ich jeden Penny), auch Aufzeichnungen der drei anderen Teile des Rings zu kaufen: Das Rheingold, Die Walküre und Siegfried. Innerhalb relativ kurzer Zeit war mir klar, daß ich mein musikalisches Alter ego entdeckt hatte, eine Art von transzendentalem Doppelgänger. Wagners Musik inspirierte mich. (In der Tat habe ich einige der literarischen Techniken für DIE CHRONIKEN VON THOMAS COVENANT DEM ZWEIFLER von der Weise abgeleitet, Kaum hatte ich zu meiner Wertschätzung des Rings gefunden, faßte ich den ambitionierten Vorsatz, eine Folge von Romanen zu schreiben, die auf Wagners Epos basierten.
Diese Absicht war nicht buchstäblich zu verstehen, sondern galt nur in konzeptioneller Hinsicht. Ich hatte kein Interesse, die Geschichte Wotans und seines unglücklichen Ringens um den Machterhalt der Götter – gegen den Druck der Riesen, Zwerge und der Menschheit – schlichtweg noch einmal zu erzählen. Vielmehr wollte ich etwas lediglich Vergleichbares schaffen, das mir die Möglichkeit bot, ähnliche Themen und ähnliche Nöte nach meinen Vorstellungen zu bearbeiten.
Vor allem Wotan selbst faszinierte mich, der herausfindet, daß ein Verständnis der eigenen Macht in den Untergang dieser Macht, seiner selbst sowie all dessen, für das er steht, münden muß; schlimmer noch, daß das Verständnis der Macht ihn dahin bringen muß, den eigenen Untergang herbeizuwünschen. Doch der Einfall blieb voll und ganz unausgegoren – bis 1987, als ich bemerkte, daß die Welt Angus’, Morns und Nicks genau den geeigneten Hintergrund für die Geschichte abgab, die mir vorschwebte. (Darüber hinaus erkannte ich natürlich, daß es mir, nahm ich Die Wahre Geschichte als Pilotprojekt eines viel umfangreicheren literarischen Werks, eine tadellose Gelegenheit lieferte, um die Mängel konstruktiv auszugleichen, die der Kurzroman angesichts meines ursprünglichen Vorhabens aufwies. Die relative Unausbalanciertheit der Rollen meiner Hauptcharaktere im Kurzroman wird von einer Schwäche zu einem Vorteil, wenn ihre Implikationen in späteren Büchern aufgegriffen werden. Das war der dritte, unbewußte Grund meines Mißfallens an der Wahren Geschichte. An meiner Arbeit störte mich, daß sie nicht vollständig war – und ohne eine zweite Idee als Katalysator konnte sie nicht vervollständigt werden.) weiteres erkennbar. Das ist die einzige Entschuldigung, die ich dafür äußern kann, so langsam durchschaut zu haben, daß
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