Amnion Omnibus
die Ideen ›Richard Wagner‹ und ›Angus Thermopyle‹ zusammengehören.
Zur Erbauung oder zum Mißmut des Lesers, je nachdem, ob er Nachworte als Gewinn oder Lästiges empfindet, kann ich die vorerwähnte Bedeutung nicht erläutern, ohne mit einer gewissen Detailliertheit auf den Ring des Nibelungen einzugehen.
Wagners Opernzyklus erzählt, kurz gesagt, die Geschichte, wie zweierlei den Sturz der Götter herbeiführt: ein bitterböser Fluch und eine selbstlos-heldenhafte Tat.
Das Rheingold
In einer Welt, in der die Menschen als schwächste und nutzloseste Lebensform existieren, herrschen voller Stolz die Götter (als da wären: Wotan; seine Gattin Fricka, Göttin der Familie und des Herdes; Donner, Gott des Unwetters; Froh, Gott des Lichts; Loge, Gott des Feuers; und Freia, Göttin des Ewigen Lebens), obwohl sie in ihrem Reich weder die ältesten noch die mächtigsten Kräfte bzw. Wesen sind.
Allerdings ist ihre Macht unsicher: sie hängt von ihrem Vermögen ab, sich den Gehorsam zweier zauberkräftiger, schöpferischer Völker zu garantieren, der Riesen (Erbauer des Großen) und der Zwerge (Erbauer des Kleinen), die beide anstreben, die Nachfolge der Götter anzutreten.
Aus Gier nach Überlegenheit hat Wotan aus der Weltesche einen Stab geschnitzt; und in diesen Stab kerbt er sämtliche Abkommen und Verträge, die er aushandelt, um seine Oberhoheit zu festigen, so daß seine Autorität Bestandteil der naturgegebenen Weltordnung wird. Aber gerade weil seine Herrschaft auf Autorität und Gesetz baut – statt auf Liebe oder Tugenden –, erweckt sie Abneigung. Also geht er, um sich und die anderen Götter zu schützen, eine Abmachung mit den Riesen
Aber unverzüglich tauchen zwei Probleme auf: eines hat er selbst zu verantworten, für das andere trägt er keine Verantwortung.
Letzteres kommt durch drei Wassernixen, die Rheintöchter, sowie einen Zwerg namens Alberich zustande, der auf sie scharf ist. (Ich gebe es zu, auch für mich waren die Rheintöchter nie sonderlich glaubwürdige Gestalten.) Gezeugt wurden die Rheintöchter durch eines der oben andeutungsweise erwähnten älteren Wesen, und es ist im Leben (oder wenigstens im Rhein) ihr Daseinszweck, das Rheingold zu bewachen, einen archetypischen Machtquell (ähnlich wie die Weltesche). Das Geheimnis des Rheingolds ist folgendermaßen beschaffen: wer ›der Liebe abschwört‹, aller Bindungen der Leidenschaft oder Hingabe entsagt, das Gold nimmt und daraus einen Ring schmiedet, wird die Macht erlangen, anderen seinen Willen aufzuzwingen. Aus Bosheit verraten die Rheintöchter Alberich das Geheimnis, hauptsächlich weil sie seine Lüsternheit – und Einsamkeit – für komisch halten. (Figuren einer Geschichte, die nichts Besseres zu tun haben, als irgendwo herumzuhocken und einen möglichst archetypischen Eindruck zu machen, sind oft ziemlich gemein.) Aber sie unterschätzen das Maß seiner Einsamkeit und seines Verlangens. Unerträglich verspottet von Schönheiten, die ihm unerreichbar bleiben, schwört er tatsächlich der Liebe ab, eignet sich das Gold an und schmiedet daraus einen Ring. Ehe irgend jemand merkt, was er treibt, hat er sich zum Herrn aller Zwerge aufgeschwungen, einen gewaltigen Schatz angehäuft und grübelt einen Angriffsplan gegen die Götter aus. So entsteht Unheil, dem nur ein Ende gemacht werden kann, indem die Rheintöchter das Gold zurückerhalten.
Das Problem, das Wotan hätte vermeiden können, wäre er klüger gewesen – d.h. weniger machtgierig –, ergibt sich daraus, daß er, um
versprochen (obwohl sie für die Götter den Quell ihrer Unsterblichkeit manifestiert). Dieser Hintersinn ist eindeutig verfehlt, denn gerade Verträge und Übereinkünfte sind die Stütze seiner Herrschaft; aber er ist jung, stark und überheblich, er glaubt, sobald Walhall steht, könnte er die Riesen zur Annahme eines anderen Lohns überreden.
Da jedoch hat er Pech. Die Riesen bestehen auf Freia, sonst sollen Walhall und die Götter sie kennenlernen.
Ihnen ist selbstverständlich klar, daß die Götter ohne Freia in die Bredouille geraten; daß sie auf der vereinbarten Gegenleistung beharren, entspringt ihrem Wunsch, Wotan zu stürzen.) Das ist für Wotan ein schreckliches Dilemma – bricht er die Vereinbarung, wird daraus für ihn eine Katastrophe, und es ist ebenso sein Verderben, hält er sie ein –, aber er ist immer noch nicht so klug, die ganze Tragweite zu überschauen. Anstatt sich den Konsequenzen des eigenen Tuns zu
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