Amore siciliano
Natürlich«, scherzte Paolo zurück. »Und die brauche ich auch alle: Mit einer gehe ich ins Theater, mit der nächsten koche ich, eine hilft mir bei der Ernte …«
»Vielleicht sollte ich mir das von dir abschauen«, sagte ich. »Bislang dachte ich immer, dass es irgendwo auf der Welt einen Mann geben würde, mit dem für mich all das zusammen schön sein kann.«
»Va così. Dieser Filmfritze war es offenbar nicht, oder?«, fragte Paolo. »Wie ich gehört habe, fand eure Trennung recht öffentlich statt.«
»Ja«, gab ich zu. »Das lief nicht optimal. Aber ich bin froh über diese Entscheidung. Wir waren nicht die Richtigen füreinander.«
Paolo schwieg, aber ich meinte, ein leichtes Lächeln um seinen Mund zu sehen.
»Warum hat es zwischen dir und Simona nicht geklappt? Warum habt ihr euch getrennt?«, fragte ich.
»Questi tedeschi! Ach, Alessandra, ihr Deutschen braucht immer einen Grund für alles. Das ist bei uns Italienern anders: Wenn etwas vorbei ist, ist es vorbei, warum noch darüber reden. Man muss doch die Vergangenheit ruhen lassen, die Gegenwart ist meistens viel interessanter«, sagte er und zwinkerte mir zu.
Zwar war nun die Sache mit dem Maserati-Mann geklärt, aber um seine Vergangenheit mit Simona machte er noch immer ein Geheimnis. Warum bloß?
»Komm schon, es würde mich wirklich interessieren, woran es bei euch gelegen hat. Ich meine, es ist ja offensichtlich, dass ihr eine gemeinsame Vergangenheit habt, und ich glaube, Simona hängt noch sehr an dir.«
»Vuoi sapere tutto! Du möchtest immer alles ganz genau wissen, hm?«, stellte Paolo fest.
»Ja, wenn es möglich ist.«
»Una storia lunga: Simona und ich waren viele Jahre zusammen, seit wir Schulkinder waren. Es war eine Freundschaft, die zu Liebe wurde, und nach einer Weile stellten wir fest, dass die Freundschaft stärker war als dieLiebe. Wir hatten zu unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft. Simona liebt diese Gegend, unsere Heimat, sie möchte hier leben und sterben.«
»Aber du liebst deine Heimat doch auch?«, fragte ich. Paolo lächelte. »Certo, ich liebe meine Heimat, aber ich trage sie in meinem Herzen, wo immer mich das Leben hintreibt.«
»Und wohin hat es dich bisher getrieben?«
Paolo schwieg einen Augenblick. Dann erklärte er: »Dall’altra parte del mondo. Neuseeland war der Grund.«
»Bitte?«
»La fine della nostra storia. Der Grund für unsere Trennung vor zwei Jahren. Ich war oft unterwegs mit einer Geologengruppe – das ist ja mein eigentlicher Beruf: Geologe. Meist waren es nur ein, zwei Wochen, die wir unterwegs waren. Aber vor zwei Jahren war ich für drei Monate in Neuseeland. Giuseppe und Michele haben sich in der Zeit um meinen Hof gekümmert. Ich hatte Simona gebeten, mit mir zu reisen, aber sie wollte nicht. Als ich zurückkam, haben wir uns dann getrennt, denn sie wusste, dass sie es nicht ertragen würde, wenn ich noch einmal so lange fort wäre. Sie wollte Sicherheit, ich wollte Freiheit. Wir sind aber immer noch sehr gut befreundet und achten beinahe eifersüchtig darauf, mit wem der jeweils andere sich einlässt.«
»Ach, deshalb warst du Ole gegenüber anfangs so unfreundlich?«, fragte ich. »Du wolltest erst mal sehen, was das für ein Typ ist, der sich für Simona interessiert?«
»Proprio così. Und deshalb ist Simona manchmal etwas unfreundlich zu dir«, resümierte Paolo.
»Ich glaube, du hast recht, Paolo: Manchmal denke ich zu viel nach. Bitte verzeih, dass ich dich so ausgefragt habe.«
»Va bene«, antwortete Paolo. »Ich habe ja keine Geheimnisse erzählt.«
Das stimmte, und das fand ich auch ganz angenehm. Er war diskret. Überhaupt war Paolo nicht so, wie man sich italienische Männer laut Klischee vorstellte. Er konnte charmant sein, war es jedoch nur, wenn er es wirklich wollte. Phrasen wie »Bella Signorina« waren von ihm nicht zu hören, er ließ Taten sprechen. Zum Beispiel fuhr er mich heute Abend bis vor die Haustür, so dass sich im Haus einige neugierige Silhouetten hinter den Fenstern bewegten. Als der Jeep zum Stehen kam, verspürte ich wieder diesen leichten Abschiedsschmerz vom Morgen. Nur noch wenige Tage, dann würde ich Paolo vielleicht nie mehr wiedersehen. Vielleicht war es nicht so klug, mich für diese Zeit noch in emotionale Verwirrungen zu stürzen, vielleicht sollte ich lieber aussteigen, statt auf dem Beifahrersitz zu hocken und erwartungsvoll in Paolos Augen zu schauen. Aber Vernunft – die war so deutsch, und ich war in
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