Amore siciliano
Dreharbeiten. Auf dem heutigen Agriturismo ging dank verrücktspielender Technik und eines typisch sizilianischen Hausherrn, der so verschlossen war, dass das Interview mit ihm zur Zerreißprobe für alle Beteiligten wurde, so viel schief, dass Dieter beschloss, auch den folgenden Tag dort zu drehen. Was bedeutete, dass ich Paolo nicht sehen könnte. Und angesichts des Arbeitspensums, was noch zu erledigen war, sah es auch für den nächsten Tag schlecht aus mit einem Date. Dafür erwartete mich, als ich müde in unser Zimmer schlurfte, ein freudig mit dem Schwanz wedelnder Enzo.
»Ja, was machst du denn hier?«, fragte ich den Hund, der es sicher selbst nicht wusste und mir schon gar nicht antworten konnte.
»Den hat dein Paolo hergebracht«, rief Charly aus dem Bad. »Er bittet dich, auf Enzo aufzupassen, weil er so lange mit etwas anderem beschäftigt ist. Toller Typ, übrigens.«
»So?«, wunderte ich mich. »Hat er auch gesagt, womit?«
»Nein, aber es klang wichtig.«
»Aber ich kann Enzo doch nicht mit ans Set nehmen, wie stellt er sich das vor? Hätte nicht Giuseppe auf ihn aufpassen können?«
Enzo schaute mich beleidigt an, als hätte er jedes Wort verstanden. »Nichts gegen dich, Großer«, entschuldigte ich mich und tätschelte seinen Kopf. Der Hund schnaubte zufrieden und legte sich dann ganz selbstverständlich vor mein Bett.
»Keine Sorge«, erklärte Charly und kam mit einer seltsamen pinkfarbenen Gesichtsmaske aus dem Bad. »Ich kann ihn ruhig tagsüber mit an den Strand nehmen, dann bin ich nicht so allein. Aber abends musst du dich um ihn kümmern, das habe ich Paolo versprochen.«
Nun, das bedeutete dann wohl, dass wir uns zumindest heute nicht sehen würden. Blieben nur noch wenige Tage übrig, bevor ich wieder abflog. Und wenn die Dreharbeiten weiter so schleppend vorangingen, wären die sicher auch mit Arbeit gefüllt. Charly hingegen verbrachte ihre Zeit, wie es sich für einen anständigen Italienurlaub gehörte: mit vino und gelato am Meer. Ich beneidete sie und spielte mit dem Gedanken, selbst noch ein paar Urlaubstage anzuhängen. Bei Schnitt und Tonbearbeitung im Studio hätte ich den anderen zwar über die Schulter gucken und sicher einiges lernen können, aber allein die Vorstellung, ganze Tage mit Malte in einem engen, dunklen Raum zu verbringen, ließ mich zurückschrecken und hielt meinen Ehrgeiz ausnahmsweise im Zaum. Seine Sprüche waren mittlerweile kaum noch zu ertragen, und ich wollte unbedingt für Abstand zwischen uns sorgen.Insofern zog mich im Moment nichts zurück nach Berlin, außer dem schlechten Gewissen gegenüber meinen Pflanzen, deren Babysitterin ja im Moment in sizilianischer Sonne faulenzte. Und dann war da noch dieser unbenutzte Bikini, der sein Recht einforderte.
Zwei Tage vor der geplanten Rückreise entschied Dieter kurzerhand, dass Paula und ich nicht mehr zu den Dreharbeiten mitkommen, sondern andere Aufgaben übernehmen sollten. »Im Grunde brauchen wir euch Frauen heute nicht, wichtiger wäre es, das bisherige Material zu ordnen und für den Schnitt vorzubereiten.« Das war mal eine Ansage: Nachdem ich das Signor-Lapi-Interview in seinen Augen genau richtig gekürzt und bearbeitet hatte, sollte ich mich deshalb nun der Geschichte von Signora Forchielli und ihrem Hof bei Taormina annehmen. Paula sollte den zerstückelten Bericht über die Lebensmittelfabrik bearbeiten. Das war eigentlich Arbeit für mehrere Tage, aber Dieter wollte noch am Abend Ergebnisse sehen. So klemmten wir uns an die Tastaturen, schrieben, kürzten, untertitelten, was das Zeug hielt, und unterbrachen nur für eine kurze Kaffee- oder Zigarettenpause. So langsam gingen mir die langen Tage und kurzen Nächte an die Kondition, ich hatte schon ein erstes Fältchen unter meinem linken Auge entdeckt. Charly bot mir ihre pinkfarbene Maske an, aber so weit war ich dann doch noch nicht.
Eine SMS von meiner Mutter erinnerte mich kurz daran, dass es bald gälte, mein Leben in Berlin wieder aufzunehmen:
Danke für karte, heute angekommen. Freuen uns auf baldiges wiedersehen. Kuss, Mama
Auch wenn ich ihr das glaubte und längst keinen Groll mehr gegen meine Eltern hegte, weil sie gegen die Reise nach Sizilien waren, war mein Drang, zurückzufliegen, noch nicht allzu groß. Ich fühlte mich bei den de Vivos und vor allem bei Paolo sehr wohl. Diese Menschen hier lebten in Einklang mit der Natur. Sie waren vielleicht anfangs etwas rauer und distanzierter als in anderen Teilen
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