Amore siciliano
Italiens, aber mittlerweile hatten wir eine herzliche Beziehung zu unserer Gastfamilie aufgebaut. Nur zwischen Simona und mir war noch der Wurm drin. Vielleicht war in ihren Augen die Geschichte zwischen Paolo und ihr doch noch nicht beendet und sie nahm mich deswegen als Störfaktor wahr? Doch das tat meiner Begeisterung für Sizilien keinen Abbruch, das geprägt war vom Vulkanismus und vom Meer, von Offenheit und Inseltum gleichzeitig. Jedes Volk, das diese Insel in ihrer langen Geschichte erobert hatte, hatte etwas hiergelassen, und wenn es nur Reisbällchen oder Olivenbäume waren. Ich hingegen würde so viel Erfahrung und Gefühl von hier mitnehmen, jedoch nichts zurücklassen. Das bedauerte ich.
Es war später Nachmittag, als meine melancholischen Gedanken, in die ich während der Arbeit immer wieder versank, von einer aufgeregten Charly unterbrochen wurden: »Du musst sofort mitkommen, ich glaube, jetzt passiert was!«, rief sie.
»Was passiert?«, fragte ich und speicherte schnell meineDatei ab, bevor Charly den Computer zu Boden reißen und alles vernichten würde.
»Ich glaube, Paolo und dieser Immobilienmafioso treffen sich zum Showdown.«
»Wie kommst du denn darauf, ich denke, Paolo ist überhaupt nicht da?«
»Ja, das habe ich auch gedacht, aber dann habe ich sein Auto in Richtung Autobahn vorbeifahren sehen, und kurz darauf folgte der silberne Maserati. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen!«
»Was?«
»Warum er dir den Hund hier gelassen hat.«
»Enzo?«
»Nein, Pumuckl«, flapste Charly und fasste sich an die Stirn. »Mensch, Alex, der hat dir den Hund zum Schutz hiergelassen, damit dir der Maserati-Typ nicht zu nahe kommt! Bestimmt hat Paolo gesehen, dass der hier war und das Haus beobachtet hat.«
Jetzt schnappte sie vollends über. »Charly, hast du mir nicht noch erklärt, dass ich zu viel Aufhebens um den Typen mache? Und jetzt meinst du plötzlich selbst, ich sei in Gefahr?«
»Du nicht, du hast ja jetzt Enzo! Aber Paolo sitzt ahnungslos in seinem Auto und wird von einem Verbrecher verfolgt! Wir müssen sofort hinterher und sehen, wohin die beiden fahren, und vielleicht müssen wir auch die Polizei rufen.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich Charlys plötzlichem Verfolgungswahn trauen sollte. Andererseits, was wäre, wenn sie recht hätte? Dann wäre Paolo tatsächlich in großerGefahr. »Also gut«, sagte ich. »Auf geht’s, wir folgen ihnen. Aber auf deine Verantwortung.«
Ich eilte mit Charly und Enzo zu ihrem Mietwagen, den Marc freundlicherweise für die komplette Woche gemietet hatte. Charly gab so viel Gas, dass das Auto einen Satz nach vorn machte, dann brausten wir los. Wir waren in null Komma nichts auf der Landstraße zur A20. Kurz vor der Autobahnauffahrt sahen wir plötzlich etwas Silbernes vor uns aufblitzen.
»Da!«, rief Charly. »Der Maserati des Grauens ist genau vor uns! Dann kann Paolo nicht weit sein.«
Meine Freundin drosselte das Tempo, und wir folgten dem Wagen so unauffällig wie möglich. Er führte uns über die Landstraße an die Küste zurück, bis zu einem alten Hafengelände, auf dem zwei riesige Lagerhallen standen. Wir parkten mit großzügigem Abstand hinter einer Kurve und beobachteten, wie der Mann ausstieg und in die Halle mit der Aufschrift »d. G. olive« ging. Im Film wurde in so einer Halle meist eine Leiche gefunden oder das Gebäude am Ende in die Luft gejagt. Beides wäre Grund genug, dem Mann nicht zu folgen, aber da Paolos Jeep ebenfalls vor der Halle stand, war ich mir nun auch sicher, dass er in größeren Schwierigkeiten steckte, als er zugegeben hatte.
Charly und ich stiegen aus, und ich hielt Enzo sicherheitshalber am Halsband. Er fing leise an zu knurren, als wir an dem silbernen Wagen vorbei zum Eingang der Halle schlichen. Sicher witterte er die Gefahr.
»Sollen wir nicht besser gleich die Polizei rufen?«, fragte ich ängstlich.
»Quatsch, wir müssen doch erst mal gucken, was die da drin treiben. Vielleicht ist dein Paolo ja in irgendeine illegale Geschichte verwickelt, und dann willst du ihn doch nicht der Polizei ausliefern, oder?«
Ich hätte für Paolo meine Hand ins Feuer gelegt, folgte Charly jedoch durch die offene Tür in die Lagerhalle. Sie presste ihren Finger auf die Lippen, und selbst Enzo schien zu begreifen, dass er still sein sollte. Mit aufgestelltem Nackenfell verharrte er angespannt, aber lautlos neben mir. Mitten in der leeren Halle sahen wir Paolo und den anderen Kerl voreinander stehen.
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