Amore siciliano
entschied ich mich wieder für Spaghetti und Miesmuscheln.
Paolo schüttelte den Kopf über meine seltsame Art, mir Ausnahmen von meinem Fisch- und Fleischverzicht zu genehmigen, aber ich erklärte noch einmal die Sache mit den Augen, so dass er aus Solidarität schließlich auch Muscheln aß. Zum Nachtisch gab es Cassata.
»Ihr Italiener wisst einfach zu leben«, lobte ich, als ich mir genüsslich Löffel für Löffel das Biskuit in den Mund schob und bedauernd feststellte, dass mein Teller leer war.
»Non proprio. Eigentlich betäuben wir uns nur regelmäßig mit Wein, um unser Elend nicht zu erkennen«, antwortete Paolo augenzwinkernd.
Ausgelassen alberten wir mit Enzo herum, den wir draußen vor dem Fenster hatten anbinden müssen und der uns die traurigsten Grimassen zuwarf, bis wir ihn schließlich erlösten und eine Weile mit ihm auf einem alten Platz spielen gingen. Der Hund holte unermüdlich die Bälle, die wir für ihn warfen, und genoss es sichtlich.
»Di solito è fuori, er ist zwar den ganzen Tag draußen«, sagte Paolo. »Aber es ist auch für ihn ein Unterschied, wenn ich nicht arbeiten muss, sondern mal einfach nur mit ihm spielen kann.« Er kraulte Enzo die Ohren und bekam dafür einen nassen Unterarm.
Paolo war so sorglos und gut gelaunt, dass ich fast vergaß, dass noch eine unangenehme Frage im Raum stand: Wurde er tatsächlich von einem Mafioso unter Druck gesetzt, oder sah ich Gespenster? Ich fasste mir ein Herz und fragte: »Paolo, der Mann, der gestern bei dir war, als ich ankam – was will der von dir? Da muss doch mehr sein, als nur eine harmlose Meinungsverschiedenheit.«
»Perché ti interessa, wieso interessiert dich das so sehr?«
»Weil er mich gestern Abend auf dem Rückweg nach I Moresani verfolgt hat.«
Paolo runzelte die Stirn. »Sicura?«
»Ich hab den Wagen erkannt.«
»Un caso, das war bestimmt nur Zufall. Ich weiß, dass er noch einen Bekannten in der Gegend besuchen wollte. Wahrscheinlich hatte er zufällig denselben Weg.«
Entweder er glaubte mir nicht, oder er verbarg etwas.
»Willst du mir nicht sagen, was für eine Meinungsverschiedenheit ihr miteinander habt? Vielleicht kann ich sogar helfen«, versuchte ich es auf einem anderen Weg.
»Sei gentile, wirklich sehr nett von dir, Alessandra, aber das räume ich schon selbst aus dem Weg.«
»Du würdest mir doch sagen, wenn du in großen Schwierigkeiten steckst, oder?«, fragte ich.
»No, assolutamente«, sagte Paolo. »Bestimmt nicht. Wir kennen uns doch kaum.«
Ich starrte ihn entgeistert an.
Paolo lachte. »Das war ein Scherz. Es ist nichts Schlimmes, wirklich nicht«, sagte er. »Der Typ ist ein Immobilienhai, ein fieser Kapitalist, der meinen Hof kaufen, das Haus abreißen und das Gelände an einen Industriebetrieb verkaufen will, der sich hier ansiedeln will. Und das will natürlich niemand – die Leute aus dem Dorf wollen es nicht, weil sie von der schönen Natur und den Touristen, die deswegen herkommen, leben, und ich will es nicht, weil der Hof mein Zuhause ist. Also habe ich dankend abgelehnt, aber wie diese Leute so sind, bleibt er hartnäckig und fragt immer wieder nach, ob ich meine Meinung geändert habe. Manchmal versucht er, mir zu drohen, aber er hat ja nichts gegen mich in der Hand, und so versucht er es abwechselnd mit Stalking und höheren Angeboten. Alles ganz harmlos.«
Ich atmete erleichtert auf. Das war ja nun wirklichweitaus weniger schlimm, als gedacht. Ein Immobilienhai, kein Mafioso. Im Grunde so etwas wie ein Vertreter: lästig, aber wie Paolo schon sagte: harmlos.
»Wie kommt er darauf, dass du deine Meinung ändern könntest?«, fragte ich. »Wer würde schon so einen tollen Hof aufgeben, an dem so viele Erinnerungen hängen?«
»Però, ich dachte mir, dass du das verstehst«, sagte Paolo, und damit war das Thema »böser Mafioso« zu den Akten gelegt.
Paolo, Enzo und ich verließen Messina und fuhren über Barcellona Pozzo di Gotto zurück Richtung Castroreale. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt, über seinen Alltag mit Landwirtschaft und Tierzucht, was ich sehr spannend fand, über die Unterschiede zwischen unseren Heimatländern, vor allem was die Bedeutung der Familie, Liebe und Treue anbelangt.
»Italienische Männer und Treue – ich hab immer gedacht, das schließe sich gegenseitig aus«, neckte ich ihn. »Jemand wie du hat doch bestimmt an jeder Hand mehrere Frauen, eine in Castroreale, eine in Messina, eine auf dem Festland …«
»Come no!
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