An Alle! Gesucht wird Mörder... Kommissar Morry
Erklärungen so kurz wie möglich:
„Doktor, auf mich müssen Sie von jetzt an verzichten. Mich hat es erwischt!“ begann er und mußte schon nach diesen wenigen Worten eine Pause einlegen. Schaumiges Blut trat aus seinen Mundwinkeln. Mit einem unterdrückten Stöhnen wischte er sich über die Lippen und sah Doktor Jules Steenlund aus schmalen Augen bitter an.
Doktor Steenlund zuckte zusammen. Er erkannte, daß der Mann vor ihm nicht mehr lange zu leben hatte.
„Shannon! Wenn Sie nicht sofort Hilfe erhalten, werden . . . “, stotterte er los.
„Mir kann keiner mehr helfen, Doktor! Ich fühle es. Mir bleiben nur noch wenige Minuten. Hören Sie zu. Es geht nur noch um Ihre Ehre und um Ihre Freiheit.“
Wieder wurden die Worte Eric Shannons durch einen krächzenden Hustenanfall unterbrochen. Dicke Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Doktor Jules Steenlund hatte kaum auf die Worte Eric Shannons geachtet. Hin und her wurde er in seinen Gefühlen gerissen. Er konnte doch diesen Mann nicht dem sicheren Verderben preisgeben, ohne etwas dagegen zu tun. Er mußte etwas zur Rettung dieses selbstlosen Mannes unternehmen. Seine eigene Schwäche war wie fortgewischt. Schon wollte er sich erheben, um es den anpirschenden Wärtern von Dartmoor entgegenzuschreien: „Hier sind wir! Beeilt euch gefälligst! Eric Shannon braucht sofort ärztliche Hilfe!“
Dr. Jules Steenlund kam nicht dazu, sein Vorhaben durchzuführen. Er war noch nicht ganz in Hockstellung gegangen, da erriet Eric Shannon bereits seine Gedanken.
„Bleiben Sie, Doktor! Was Sie da Vorhaben, ist sinnlos! Hören Sie lieber noch einen Augenblick her und versuchen Sie dann, heil durch den Wald zu kommen!“ Zusehends wurde die Stimme Eric Shannons leiser. Seine Worte waren nur noch ein Hauch, und Dr. Jules Steenlund mußte sich schon tief über den todwunden Mann beugen, um die abgehackten Laute richtig verstehen zu können. Jede Faser seines Denkens bäumte sich gegen sein untätiges Verweilen neben diesem jungen Menschen auf. Dennoch schien ihn eine unsichtbare Macht festzuhalten.
„Doktor, Sie sind unschuldig“, hörte er Eric Shannon sagen. „Es weiß kein Mensch besser als ich, daß die Ablichtungen von den geheimen Formeln, die man in Ihrer Wohnung fand und die Sie zum Landesverräter stempelten, nicht von Ihnen aus dem Versuchslabor der staatlichen Erprobungsstelle entwendet wurden. Ich persönlich habe sie von einem Ihrer Mitarbeiter der Erprobungsstelle erhalten, und als die Sache gleich danach entdeckt worden war, hatte ich bereits die Pläne kopiert und eine dieser Kopien in Ihre Wohnung geschmuggelt. — Sie mußten somit für eine Tat büßen, die ein anderer begangen hat. Nur war dieser andere gerissener als Sie.“ Dr. Jules Steenlund glaubte zu träumen. Der Boden unter seinen Füßen begann zu wanken.
Was erzählte Eric Shannon da? — Einen seiner früheren Mitarbeiter traf die Schuld, daß man ihn auf Lebenszeit hinter die grauen Mauern von Dartmoor verbannen wollte? Das konnte doch nicht wahr sein! Wie auf einer Kinoleinwand sah Dr. Jules Steenlund die Gesichter seiner früheren Kollegen in seinen Gedanken auftauchen und verschwinden. Keinem dieser Männer traute er eine derartig niedrige und abscheuliche Handlungsweise zu. Dennoch mußte es so sein. Als er in die erlöschenden Augen Eric Shannons sah, wußte er, daß dieser Boy ihm die Wahrheit gesagt hatte. Ein Sterbender hatte keinen Grund zur Lüge! —
„Kennen Sie den Namen des Mannes, Shannon?“ versuchte Steenlund den Namen des Mannes zu erfahren. Diesem Unbekannten hatte er es zu verdanken, daß er aus der Gesellschaft ausgestoßen worden war und nun diese Strapazen über sich ergehen lassen mußte.
Seine Frage schien der Verwundete gar nicht mehr zu begreifen. Deshalb wiederholte Dr. Steenlund seine Worte. Um einen Spalt breit öffnete Eric Shannon seine Augen. Man sah ihm die Mühe an, die ihm diese winzige Bewegung machte. Seine Lider begannen zu zittern, und mit bitterer Stimme antwortete er:
„Doktor! — Später werden Sie vielleicht einmal erfahren, welche Rolle ich bei dieser Gemeinheit gespielt habe. Das kann ich Ihnen jetzt nicht erklären. Die Zeit ist knapp. Ich will Ihnen nur noch sagen, daß ich niemals den Namen Ihres Mitarbeiters in Erfahrung gebracht habe. Das müssen Sie mir glauben.“
Dr. Jules Steenlunds Atem stockte. Wie sollte er jemals seine Unschuld beweisen können, wenn nicht einmal dieser Boy vor ihm den Mann kannte, der der
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