An Alle! Gesucht wird Mörder... Kommissar Morry
Das aber nicht jeder Fall in einem Blitztempo abgewickelt werden konnte, daran schien dieser Herr nicht zu denken.
„Soll er sich noch einmal bemühen und zum Telefon greifen“, dachte der junge Kommissar und erkundigte sich zunächst nach seinem Konstabler.
„Ist Sudder schon wieder eingetroffen“, richtete er daher an den vor ihm stehenden Yardman die Frage.
„No Sir!“
Er hatte seinem Konstabler nach der Durchsuchung einen weiteren Sonderauftrag erteilt, von dem er sich erhoffte, daß die Bejahung seiner Annahme des Rätsels
Lösung sein würde. Drei Stunden waren es jetzt schon her, daß er Sudder auf den Weg geschickt hatte. Da der Mann aber immer noch nicht eingetroffen war, ahnte er bereits, daß seine Vermutung zutreffen würde und Sudder das Beweisstück gleich mitzubringen gedachte. Mitten in seine Worte „Thanks! Dann wird er wohl jeden Moment wieder aufkreuzen“, hinein rasselte sein Tischapparat.
Der Sektionspräsident war höchstpersönlich an der Strippe. Seine Stimme klang rau und heiser: „Morry! Was ist mit Ihnen? Warum bekomme ich keine Unterlagen?“ bebte der Mann zunächst noch mit verhaltenem Zorn. Als Kommissar Morry ihm aber in aller Ruhe mitteilte, daß bis zur Stunde noch keine ausgesprochen positiven Ergebnisse vorlägen, brach der Sturm über seinem Haupte los.
„Was soll das heißen?“ begann die Membrane an Kommissar Morrys Ohr stark zu dröhnen.
„Wollen Sie mich etwa auf den Arm nehmen? — Drei Morde lassen Sie geschehen, ohne daß Sie als mein bestes As mit Ihren ausgesucht findigsten Boys des Yards irgend etwas unternommen haben? — Damned, sagen Sie schon, welche Festnahmen haben Sie bisher durchgeführt? Wann geht die abgeschlossene Akte zur Staatsanwaltschaft?“
„Sir! — Ich würde es mir nicht erlauben, Sie auf den Arm zu nehmen, wie Sie sich auszudrücken belieben. Aber in der Tat, es liegen wirklich noch keine stichhaltigen Beweise vor, die zur Festnahme des Mörders führen könnten! — Sie kennen mich zur Genüge, und wenn ich Ihnen sage, daß noch keine Festnahme in dieser Mordsache durchgeführt wurde, so habe ich meine bestimmten Gründe dafür. Bisher habe ich noch keinem die Freiheit entzogen, dem ich nicht seine Schuld an einer Tat hundertprozentig nachweisen konnte.“ Auch Kommissar Morrys Stimme war um eine Nuance schärfer geworden, und aus dem Sturm des Sektionspräsidenten wurde ein wahrer Orkan: „So! Sie glauben noch keine Beweise für die Festnahme des Täters zu haben! Das ich nicht lache! Morry, ich will Ihnen mal etwas sagen. Die Zeitungen deuteten bereits Ihre stark nachlassenden Fähigkeiten an, und auf meinem Schreibtisch häufen sich die Beschwerden aus der Bevölkerung. Bisher habe ich diesen Leuten wenig Glauben geschenkt. Aber nun sehe ich ein, daß ich mich geirrt habe. Der Mord in der vergangenen Nacht wird weitere Hilferufe der Öffentlichkeit auf meinen Schreibtisch flattern lassen — und da Sie nicht in der Lage sind, die Mäuler der in Aufregung geratenen Menschen zu kühlen, werde ich Ihnen zeigen, wie es gemacht wird!“
„Oh, bitte! Wenn Sie glauben, es besser machen zu können, dann . .
„Well, Morry! Und nun spitzen Sie Ihre Ohren und führen Sie sofort folgende Befehle aus!“ In diesem Augenblick betrat Konstabler Sudder den Raum des Kommissars. Das Lächeln auf seinen Lippen erstarb aber, als er das zerknirschte Gesicht seines Vorgesetzten sah. Den fragenden Blick des Kommissars bejahte er mit einem kurzen Kopfnicken. Dann nahm er den zweiten Hörer auf und hörte die Befehle des Sektionspräsidenten mit. Auch er mußte den Hörer weit vom Ohr halten, denn die Stimme des alten Herrn gellte spitz durch den Draht: „Zunächst haben Sie es unterlassen, einen Haftbefehl gegen den entsprungenen Dr. Jules Steenlund zu erwirken. Das habe ich bereits nachgeholt. Der Staatsanwalt ist mit mir der Ansicht, daß nur dieser Mann ein Interesse am Tode seiner früheren Komplicen haben kann und somit der Mörder ist. Weisen Sie darum sofort die Yard-Druckerei an, sie soll unverzüglich. zehntausend Plakate fertigstellen und mit folgendem Text zum Aushang bringen: „An Alle! Gesucht wird wegen mehrfachen Mordes Dr. Jules Steenlund . . .“
„Aber das ist doch Idiotie!“ platzte Konstabler Sudder heraus. Kommissar Morry aber legte seine Handfläche auf die Muschel und flüsterte: „Des Menschen Wille ist sein Himmelreich! Schreiben Sie den Text mit! Es ist nicht meine Schuld, wenn sich der Herr bis auf die Knochen
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