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Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Titel: Gefährliche Nebenwirkung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Braun
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1
    Ich weiß nicht, wieso ich wach bin. Bevor ich eingeschlafen war, hatte ich den Wecker gestellt, aber er hat nicht geklingelt. Draußen ist es dunkel und der Geruch von Regen dringt durch die zugigen, hundert Jahre alten Fenster unseres viktorianischen Hauses. Die Uhr zeigt drei Minuten vor sechs.
    Mein erster Gedanke ist, dass ich etwas in Ordnung bringen muss, und zwar schnell. Mein zweiter Gedanke, dass ich mich entspannen kann. Mein Mann Jonathon, ein Naturtalent, was Organisation angeht, hat sich längst um jedes Detail unserer Reise nach Mexiko gekümmert – Reisepässe, Tickets, das Taxi. Aber er ist es auch gewesen, der den Wecker ausgestellt und mich hat schlafen lassen. Ich schiebe die Bettdecke zur Seite. In zwanzig Minuten müssen wir uns auf den Weg zum Flughafen machen.
    Oliver erscheint in der Tür. »Warum bist du noch im Schlafanzug?«
    »Wo ist dein Vater?«
    »Ich kann meine Flipflops nicht finden.«
    »Du kannst dir ein paar neue kaufen, wenn wir in Mexikosind«, antworte ich aus dem Badezimmer, während ich in meine weiße Leinenhose schlüpfe. Sie ist das erste Zeichen dafür, dass ich den Regen in Portland gegen eine Woche schwülheißes Sonnenwetter eintauschen werde. Vielleicht hat der Wecker ja auch geklingelt und ich habe es nur nicht gehört. Ich war am vergangenen Abend viel zu lange aufgeblieben, um noch den letzten Band der Reihe
Legenden der Lust
von Dee Dee Dawson zu Ende zu redigieren. Ich habe nur vier Stunden geschlafen und die meiste Zeit habe ich davon geträumt, wie ich mit meinem Rotstift geil, sinnlich, heiß und feucht wegstrich oder ergänzte.
    »Ich werde da bestimmt nicht in neuen Flipflops herumlaufen«, brüllt Oliver von irgendwo im Haus zurück. »Dann scheuer ich mir nur die Zehen auf!« Diese Schärfe in seiner Stimme. Ich freue mich auf den Tag, an dem er dieses typisch mürrische Gehabe eines Sechzehnjährigen abstreift, der mich noch mehr ablehnt als all die anderen Dinge auf der Welt, die er ohnehin schon ablehnt. Ich kann es kaum erwarten, dass er wieder der alte Ollie wird, denn der hat mich immer vergöttert.
    Schnell packe ich meine Kulturtasche. Ich bin gerade halb die Treppe hinunter, als vom Keller ein Schlagzeug bis in den ersten Stock hinaufdröhnt. Led Zeppelin,
The Immigrant Song
. Wenn ich mich wieder mal nicht irre, was Oliver ebenfalls nicht an mir mag. Als Teenager habe ich auch Led Zeppelin gehört und man könnte meinen, es sei gut, wenn man so was gemeinsam hat, aber Oliver versichert mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass ich Led Zeppelin niemals so gehört habe, wie er Led Zeppelin hört, und dann verdreht er jedes Mal die Augen, um diese Tatsache zu unterstreichen.
    »Jonathon, wo bist du?« Ich brülle, als könnte er mich hören.
    Ich ziehe mein Handy aus der Tasche. Oliver hat sein Telefon immer auf Vibrationsalarm gestellt und trägt es in der hinteren Tasche seiner Hose herum, daher wird er meinen Anruf spüren, auch wenn er ihn nicht hört.
Beweg deinen Hintern hierher
, texte ich. So eine SMS habe ich ihm noch nie geschrieben.
    Der Trommelwirbel meiner Finger endet mit einem Tusch.
    Ich schaffe es gerade bis in den vorderen Flur des Hauses, da kommt Jonathon durch die Eingangstür. In der Hand trägt er einen Stoffbeutel mit Sonnenöl, Flipflops und stockigen Handtüchern, die noch aus dem letzten Sommer stammen, als wir an der Küste waren. Sie mussten monatelang in der Garage gelegen haben. Er sieht aus, als sei er schon seit Stunden wach, lächelnd und voll orientiert. Er trägt ein weißes T-Shirt und Jeans, das blonde Haar umspielt weich und ungekämmt sein Gesicht. So habe ich ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Sein Gesicht war viel zu lange nur von Müdigkeit beherrscht gewesen, ich hatte schon ganz vergessen, wie es eigentlich aussehen kann. Er wirkt jünger. Glücklich. Er hat sich nicht rasiert, die Bartstoppeln lassen seinen Mund sehr männlich und sexy erscheinen.
    »Wo bist du gewesen?«, will ich wissen. Der Doppelsinn meiner Worte bleibt mir nicht verborgen.
    Er lächelt, zerrt die Flipflops aus dem Stoffbeutel und gibt sie Oliver, der gerade die Kellertreppe heraufkommt. Jonathon küsst mich – voller Absicht – lange und weich auf die Lippen. Es ist ein Kuss, mit dem er mir sagen will: Wir sind jetzt im Urlaub und er könnte nicht glücklicher sein. Ein Kuss, den ich nicht ruinieren will, indem ich jetzt von dem Wecker anfange.
    Oliver schlüpft in die Flipflops und der Geruch von Schimmel erfüllt

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